The Wizards of OS

"Information wants to be Free"

The Digital Knowledge Order between Rights Control Systems and Information Commons
Die digitale Wissensordnung zwischen Rechtekontrollsystemen und Wissens-Allmende 
 

22.09.2000
Kunstverein Hamburg
Klosterwall 23, Hamburg
(teilweise in englischer Sprache)

Workshop im Rahmen der Interface 5

organisiert von Wizards of OS (mikro, HU Informatik & Gesellschaft)
Wolfgang Coy & Volker Grassmuck


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Catalog Text: Volker Grassmuck, "Die Wissens-Almende", 7/2000
Press

 
 
 
 

"Information wants to be Free"

Die digitale Wissensordnung zwischen Rechtekontrollsystemen und Wissens-Allmende 

Information should be free. 
(Peter Samson vom Tech-Modelleisenbahn-Club am MIT, circa 1959) 

On the one hand information wants to be expensive, because it's so valuable. The right information in the right place just changes your life. On the other hand, information wants to be free, because the cost of getting it out is getting lower and lower all the time. So you have these two fighting against each other. 
(Stewart Brand, Herbst 1984, auf der ersten Hackers' Conference) 

I believe that all generally useful information should be free. By `free' I am not referring to price, but rather to the freedom to copy the information and to adapt it to one's own uses. When information is generally useful, redistributing it makes humanity wealthier no matter who is distributing and no matter who is receiving. 
(Richard Stallman, ca. 1990) 
 

Mit der anbrechenden Moderne gehen in derselben Bewegung, in der das Kollektiveigentum an Grund und Boden (Almende) privatisiert wurde, die geistigen Güter den entgegengesetzten Weg: vom Privileg Weniger zu etwas, worauf alle im Volk Anspruch haben. Am Ursprung und in der Basis der modernen, westlichen, demokratischen Gesellschaften steht ein ausgeprägtes Gefühl für die moralische Verwerflichkeit von Zugangsbeschränkungen zu Wissen, Information, Bildung, Kultur und Weisheit. In der gleichen Zeit, da das typographisch gedruckte Buch als das erste auf moderne Weise massenproduzierte Industriegut einem besonderen Kopierrecht unterstellt wurde, verlangten insbesondere Wissenschaftler, Schriftsteller, Gelehrte und Künstler nach Bildung und nach freiem Zugang zu dem in den privaten Sammlungen der Reichen und Mächtigen angehäuften Wissen. Sie erreichten die Schaffung der ersten öffentlichen Bibliotheken und der ersten öffentlichen Museen. 

Ein ähnlicher Anspruch findet sich auch im Sonder-Milieu der Wissenschaften, in dem die historische Errungenschaft der Freiheit von Forschung und Lehre die Grundlage für eine Kooperation und einen Wettbewerb um das beste Wissen für alle bildet; ein ‘Wissenskommunismus' (R. Merton), der philosophisch und methodologisch in einem freien Informationsfluß gründet, in den Bedingungen für eine Replikation von Experimenten, von Peer-Review und einer offenen Weiterentwicklung des Wissens. Die Freiheit des Wissens zu verteidigen, ist in Zeiten einer schrankenlosen Kommodifizierung gerade auch von Bildung und Forschung fraglos die wichtigste Aufgabe, die vor uns liegt. 

Auch jedes Urheberrecht beruht auf der Anerkennung, daß jedes ‘Werk' aus dem Pool des vorangegangenen Wissens hervorgeht, aus dem Gedächtnis und Archiv der Menschheit, das allen gehört. Daher ist der Schutz, der neuen Werken eingeräumt wird, nach Nutzungen und zeitlichem Umfang begrenzt und daher kehren sie schließlich in das Reich des freien Wissens zurück. 
Ein inhärenter Widerspruch der ‘Informationsgesellschaft', also einer Gesellschaft, die auf Informationstechnologie und Informationskapitalismus beruht, liegt darin, daß sie die Mittel bereitstellt, Wissen frei zugänglich zu machen, und zugleich das kulturelle Gedächtnis in einem ungekannten Ausmaß in eine Warenressource verwandelt. Da die Umschlags- und Verfallsgeschwindigkeit von Wissen ständig zunimmt, wäre zu erwarten, daß die Schutzfristen für seine Monopolnutzung kürzer werden. Das Gegenteil ist der Fall. Um zu verhindern, daß Disneys Mickey Mouse gemeinfrei wird, wurde jüngst die Copyright-Frist in den USA auf 95 Jahre nach Tod des Autors ausgedehnt. 

Das Internet ist in einer behüteten akademischen Umgebung mit einem kräftigen Einschlag Hippie- und Hacker-Freiheiten großgeworden. Über 25 Jahre hinweg etablierte sich hier die Idee und Praxis, daß Information frei sein will. Insbesondere die freie Software demonstriert eindrucksvoll, daß Information eine nichterschöpfliche, nichtexklusive Überflußressource ist und daß Wissenskooperation Vorteile für den Einzelnen und für alle bringt. 

Dieser Trend wird seit einigen Jahren durch die Bemühungen der Rechteindustrie konterkariert, die digitale Information technisch zu schützen, zu parzellieren, nach einzelnen Nutzungen abrechenbar zu machen, sie zu verfolgen und bei Lizenzverstößen sich selbst zerstören zu lassen. Was zunächst wie die freieste Wissensumgebung schien, könnte jetzt einen Grad an Schließung und Kontrolle erreichen, wie er in keinem Mediensystem bislang denkbar war. 

Gegen diese Entwicklung möchte der Workshop daran erinnern, daß die Vorstellung, daß Information Eigentum sei, vergleichsweise jung ist. Und daran, daß Wissenswaren immer auch auf einem Pool an gemeinfreiem Wissen aufruhen. Er wird die Freiheit der Wissenschaft unter Bedingungen digitaler Medien und Drittmittelforschung thematisieren. Die Schranken des Urheberrechts (public domain, fair use usw.) werden aufgezeigt und ein Informations-Almende als alternatives Regulierungsmodell zu staatlicher Intervention und Markt vorgestellt. Zonen von Informationsfreiheit in Bildung, Archiven, Kunst, Technik und Unterhaltung werden besprochen. Die Bewegung der freien Software und der sharing spiritdes Internet sind eindrucksvolle Beispiele für den Reichtum eines nicht-proprietären Wissens und eines freien Flusses von intellektueller Kooperation. Auch der Äther schwirrt von unterschiedlichsten Informationen, die frei sind für diejenige, die über Know-how und Detektoren verfügt. In der Kunst gibt es eine lang Tradition, sich Freiheiten zu nehmen. Die Situationisten stellten ihre Werke unter ein dezidiertes Anti-Copyright. Die US-Band Grateful Dead gestattet ausdrücklich die Anfertigung und Verbreitung von Bootleg- Aufnahmen ihrer Konzerte. Künstler und Fans treten offensiv für das Recht ein, sich fremde Werkelemente anzueignen und in ihre eigenen Schöpfungen aufzunehmen. 
Die ‘Tragödie der Wissens-Almende' ist dies: Für Wissen, das allen gehört, wähnt sich niemand zuständig. Während die Rechteindustrie ihr ganzes Gewicht in die Lobby- Arbeit für eine Verschärfung von Schutzrechten legt, mangelt es der public domain an Fürsprechern. 

Informationsfreiheit ist zuallererst eine ethische und politische Frage: das Grundrecht auf Wissen und Bildung; das Recht auf Zugang zu Wissen und Teilhabe an seiner Formung und Erneuerung; ihr Wert als Gegengewicht gegen kommerzielle Schließung, Informationsmonopole und informationellen Imperialismus, kurz -- es geht um die altbewährte Ausrichtung auf Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Werte, die trotz allen Wandels seither -- z.B. die Digitalisierung unseres Welthorizonts -- nichts an ihrer Zeitgemäßheit verloren haben. 
 
 
 
 
 

"Information wants to be Free"

The Digital Knowledge Order between Rights Control Systems and Information Commons

Information should be free. 
(Peter Samson of the Tech Model Railroad Club at MIT, circa 1959.) 

On the one hand information wants to be expensive, because it's so valuable. The right information in the right place just changes your life. On the other hand, information wants to be free, because the cost of getting it out is getting lower and lower all the time. So you have these two fighting against each other. 
(Stewart Brand, fall 1984, at the first Hackers' Conference) 

I believe that all generally useful information should be free. By `free' I am not referring to price, but rather to the freedom to copy the information and to adapt it to one's own uses. When information is generally useful, redistributing it makes humanity wealthier no matter who is distributing and no matter who is receiving. 
(Richard Stallman, ca. 1990) 
 

Freedom of information is first of all a political and ethical issue: the basic human right to knowledge and learning, the right of access to knowledge and participation in its shaping and innovation, its value in countering informational imperialism and commercial proprietary closure and exclusion -- basically the old-fashioned ‘freedom, equality, brotherhood' that during the last 200 years hasn't lost any of its currentness. 

The classical knowledge order of the sciences rests on a ‘knowledge communism' (R. Merton). It is philosophically and methodologically grounded in a free flow of information, in the conditions for replicating experiments, of peer critiquing, of modifying knowledge and of using it as starting point for further explorations. 

At the base of any copyright law there's the recognition that each ‘work' is derived from the pool of knowledge that was there before, from the memory and archive of humankind, a knowledge that belongs to all, the public domain. Therefore the protection of works and the monopoly use, these laws grant are restricted in scope and temporal range, and in the end, everything returns to the realm of free information. 

Librarians and archivarians as maintainers of the knowledge grail have long been at the forefront of making information available to the public. 

The colonization of the electromagnetic spectrum has been one of the great undertakings of the 20th century. Radio broadcast, high-frequency radar and TV, satellite broadcast and microwaves are the regions where we established settlements of signification. Whether we are aware of it or not (we can't help it anyway), we are engulfed in layer upon layer of  constant humming, of radio and TV broadcasts, of police and amateur communications, of mobile phone conversations, of data streams, of close-range electro smog and long waves of information that span the globe, ethereal voices of angles. Given suitable detectors and know-how, also this information is free for everybody who cares to listen. 

Even public information is becoming increasingly public. Sounds like a paradox? The notion so manifest in Japan but also still deeply ingrained in Europeanish countries, i.e. that public knowledge belongs to state institutions, not to the citizens, took a Freedom of Information Act and takes a EU Greenbook on Information of the Public Sector to alter. 

And of course, there is the free software movement and the sharing spirit of the Internet that are vivid examples of the power of non-proprietary (if not non-commercial: it's about free speech not free beer) knowledge and a free flow of intellectual cooperation. 

On the down-side there are tendencies toward increasing closure, monopolization, captitalization of knowledge, exploitation of cultural, technological and bio diversity by a few globally operating corporations, eventization of cultural heritage and monetariziation of every informational exchange possible. If the knowledge order of digital media is turning the world into a single instantaneous, multi-medial, interactional knowledge space, the publicness of its public areas and the privacy of its private areas have to be protected. 

    "The seas (with their overfishing), the geostationary orbital positions (that are being monopolized by the most-developed countries) or the human genome (the privatization of which is demanded by some on the pretext of intellectual property) are characteristic examples of this problem of degrading or exploitation of the Commons in favor of the profits of single interests. The majority of those who have legal rights to these public goods (the world population) do not constitute a counterpart to these tendencies." (Philippe Queau, Eine ethische Vision der Informationsgesellschaft, Telepolis, 22.11.98, translation vg) 
ICANN, WIPO, WTO and other transnational institutions represent the globalizing interest of the private domain. Where is the institution that lobbies for the interest of the public domain? If there is a law protecting author's rights shouldn't there be an equally positive legal protection of the Knowledge Commons (in Germanic law: Allmende), of a global public good, as well? 
 
 

Schedule
 
12:00 Welcome / Introduction, Wolfgang Coy & Volker Grassmuck 
12:30 Informationsfreiheit und urheberrechtlicher Interessenkonflikt [in German]
Gabriele Beger, Copyright Attorney of the Federal Union of German Library Associations
13:30 Wissenskommunismus: Anachronismus oder Futurismus für das Informationszeitalter [in German]
Helmut Spinner, Institute of Philosophy, University Karlsruhe
14:30 break 
14:45 Anticopyright in subkulturellen Kunstströmungen [in German] > full text
Florian Cramer, Literature Scientist, Free University Berlin and Neoist Activist, Berlin
15:45 Makrolab -- The Library in the Sky [in English]
Marko Peljhan, Makrolab, Ljubljana
16:45 break 
17:00 Information as a prime and primarily relational value [in English] > full text
Sally Jane Norman, New Zealander/ French performing arts theorist, Paris
18:00 An Informational History of the World [in English] > full text
Phil Agre, Department of Information Studies, University of California, Los Angeles
19:00 panel discussion 
ca. 20:00 Screening: Craig Baldwin, "Sonic Outlaws" (USA, 1995, 80 Min.) 

Similar Projects & Events

  • 20.-21.10.: Wem gehört das Wissen? Wie wollen wir informationelles Schaffen belohnen? Das Digitale Dilemma und Antwortversuche von OpenSource bis zu Urheberrechtsabgaben und Softwarepatenten, Heinrich Böll Stiftung in Kooperation mit Netzwerk Neue Medien und Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur, Galerie der Heinrich Böll Stiftung, Berlin/DE

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  • 26.-30.9.: Copy.Cult and the original si(g)nTM (a project investigating the moving borders of intellectual property in the culture of the copy), WHAT'S SO RIGHT ABOUT COPYRIGHT? | WHO ARE THE PIRATES? | LA GENERAL PUBLIC LICENSE COMME MODELE POUR LA CREATION CONTEMPORAINE. DROITS D'AUTEURS ET ARTS DE LA SCENE: UNE VUE D'ENSEMBLE | MUSEES ET DOMAINE PUBLIC: "AVENTURIERS DE L'ARCHE PERDUE?", a project by Constant, Brussels 2000 CENTRUM/CENTRE, 50 Schildknaapstraat/rue de l'Ecuyer, 1000 Brussels

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  • 21.9., 19:00 - 22.10.: LIQUID HACKING Laboratory. Dreiteilige Versuchsanordnung der Künstlerin Cornelia Sollfrank im Nürnberger Kunstverein; Eröffnung mit mit Alexei Shulgin und der 386 DX Cyberpunk Rockband; Austellung mit Josephine Starrs&Leon Cmielewski (AUS), Frank Fietzek (D), jodi (NL/E), Heath Bunting (GB), Lia (AU), rTMark (USA), Kristin Lucas (USA), Cornelia Sollfrank (D), Vuk Cosic (SI), Barbara Thoens (D), 4000 (D), Rachel Baker (GB), Francesca da Rimini (AUS/I), Natalie Bookchin (USA), Rena Tangens (D), Verena Kuni (D), Kate Rich/ Bureau of Inverse Technology (GB), Evrim Sen/ Denis Moschitto (D), Alexei Shulgin (RU), Sarah Waterson (AUS). Ort: Albrecht-Dürer-Gesellschaft, Kunstverein Nürnberg, Füll 12, 90403 Nürnberg/DE 

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    Press

  • Christiane Schulzki-Haddouti, Wissen zwischen Kontrolle und Freiheit. Interview mit Volker Grassmuck zum neuen "Wizards of OS"-Workshop in Hamburg, in: Telepolis, 20.09.2000 

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  • (Hal Faber) (chr/c't),  Was wird, Heise Newsticker 17.09.2000

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