Mikro e.V. Verein zur Förderung von Medienkulturen in Berlin 
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"your 3 minutes of theory" 
auf dem 1. jahresempfang der rohrpost 
-- zusammen mit der Transmediale -- 

am Mittwoch, 7. Februar 2001
18.00 - 20.00 Uhr
im Museum für Kommunikation
Leipziger Str. 16, Berlin

 

RealVideo-Aufzeichnung
by Thomax Kaulmann
auf 

 

YOUR 3 MINUTES OF THEORY

>> die Statements

Die Stand-Up Theory Aktion beinhaltet mehrere maximal 3 Minuten lange Vorträge zum gegenwärtigen Zustand der Medientheorie und bringt hoffentlich wegen der notwendigen Kürze besonders knappe, pointierte, polemische, eigensinnige, scharfe, dichte, Geschichte-machende Statements hervor. 3 Minuten, das sind 180 Sekunden, circa 300 Worte, also weniger als eine A4 Seite. In der Zukunft werden wir nicht mehr - wie noch A. Warhol - 15 Minuten lang berühmt sein, sondern allenfalls noch 3 Minuten. Die wollen klug genutzt sein. Was wäre zu sagen?

Die Herausforderung ergeht an alle mutigen Frauen und Männer, die die Rohrpost-Liste verfolgen und die Konzentration und Reduktion nicht scheuen. Kommt nach Berlin, kommt ins Museum für Kommunikation und nutzt Eure drei Minuten! Wenn sich genügend Wagemutige finden, wird es während des Empfangs wahrscheinlich mehrere Blöcke von je 3-5 Kurzvorträgen geben, und in weniger als einer Stunde breitet sich vor dem geneigten Publikum die ganze epistemologische Vielschichtigkeit der medialen Gegenwart aus. (Zweit- und Drittverwertungen sind nicht zwingend, sollen aber auch nicht ausgeschlossen werden.)

  • INTERESSENTiNNEN sollten sich an vgrass@rz.hu-berlin.de wenden, möglichst bereits mit einem Hinweis auf Thema und Inhalt des eigenen Vortrags.
  • Wer NUR ZUM EMPFANG kommen möchte, auch OHNE einen Vortrag zu halten, sollte an abroeck@mikro-berlin.org schreiben, damit wir eine Übersicht bekommen über die zu erwartende TeilnehmerInnenzahl.

 

Und hier die vorgetragenen 3MOT-Statements:

 


Florian Cramer <paragram@gmx.net>

Gegen Medientheorie

1. Ein Medium ist eine mittlere Instanz zwischen Sender und Empfänger. Computer können Zeichen nicht nur transportieren, sondern auch generieren und interpretieren. Sie sind deshalb nicht nur Medien, sondern universelle Zeichenmaschinen.

2. Wir brauchen daher keine Medientheorie, sondern eine Semiotik des Netzcomputers.

3. Wenn von ,,den Medien`` die Rede ist, sind meistens die ,,neuen Medien`` gemeint. Der Computer unterscheidet sich von allen anderen neuen Medien dadurch, daß er eine universelle Zeichenmaschine ist, und schließlich dadurch, daß er seine Zeichen textuell codiert.

4. Wir brauchen daher keine Medientheorie, sondern eine text- und zahlentheoretisch geschulte Semiotik des Computers.

5. Eine formale Definition von Text: Text ist eine endliche Menge diskreter Zeichen, die einem Alphabet, also einer anderen Menge diskreter Zeichen entnommen sind.

6. Digitale Zeichen sind Systemzustände von Prozessoren und Speichern. Das Argument, sie konstituierten keinen Text, sondern seien bloß ,,Schaltungen``, greift zu kurz. Die Systemzustände eines Computers sind ebenso textuell wie zum Beispiel Flaggenzeichen, und sie können ohne Informationsverlust in alphanumerischen Text codiert und in Systemzustände rückcodiert werden.

7. Weil eine von Kracauer und McLuhan an Film und Fernsehen entwickelte ,,Medientheorie`` einfach auf den Computer übertragen wurde, hatten Begriffe wie ,,Virtualität``, ,,Nonlinearität`` und ,,Interaktivität`` irreführende Konjunktur. Digitaler Code ist nicht manipulierbarer, nonlinearer oder ,,virtueller`` als jeder andere Text.

8. Im Gegenteil, die digitale Codierung macht Bild- und Tondaten so rhetorisch und mathematisch manipulierbar, wie es jeder Text immer schon war.

9. Es ist die besondere poetische Qualität des digitalen Texts, maschinell ausführbar zu sein, sich selbst replizieren und modifizieren zu können. Die Theorie des Netzcomputers sollte dies, und auch technische Störungen der Codierung, intertextuell lesen können.

(siehe dazu auch den Thread auf Rohrpost)

 

Matze Schmidt <matze.schmidt@n0name.de>

"3 Sekunden Bewußtsein: die reelle Dauer medialer Aufmerksamkeit und danach (recorded 7.2.2001)"

 

Sandra Becker <sandra.becker@snafu.de>

die flugbewegung.

rausch. geschwindigkeit. hyper. beschleunigung. vorbei. raserei. hektik. nervosität. kausal. und binäre zusammenhänge. wenn dann. und am ende doch.

beim abstürzen gibt es kein zurück mehr. die landung kann hart oder weich sein.

Heiko Idensen <hei+Co@hyperdis.de>

mein vorschlag:
*rohrpost-stille post- compost (kollaboratives community-posting)*
(256 worte sammeln für eine micro-theory des schwarmdenken)

singen und essen findet vornehmlich in gesellschaft statt. auch reden, konversation betreiben, liebe machen, filme schauen ... aber denken? klassich im (romantischen?) hinterstübchen, in der stillen kammer, in der höhle des philosophen, allein @home vor dem bildschirm. monitorstadien des denkens ... bild-schirm-denken ... nach der art von kinderspielen, surrealistischen schreibspielen, fluxus-performances eine situation schaffen für gemeinschaftliche öffentliche denk-prozesse mit offenem ausgang.

256 worte denken, flüstern, weitersagen, vorübergehen lassen, aufschnappen, vorlesen, aufschreiben, erzählen, zählen, vergessen, überdenken, entsorgen, aufnehmen, kopieren, ins netz stellen, suchen ...

im vorfeld: sammeln von worten und begriffen per suchmaschinen und mittels worthäufigkeitsanalysen aus dem rohrpost-diskurs der letzten 356 tage. nachbereitung: einschleusen der wortketten des schwarmdenkens in diverse verästelungen kollaborativer schreibprojekte (assoziationsblaster, gvoon, nic-las). wer spricht? mit wem? womit? worüber? wozu? worin? woraus? zu wem?

wer schreibt, spricht und bricht in rohrpost? wer sind die sender und empfänger? eine mailing-liste ist kein debattierclub - und auch kein salon. auch ein historischer vergleich mit den briefromane der romantik oder den kollaborativen schreibspielen der surrealisten hinkt. vielleicht sollten wir trotzdem ein (imaginäres) gruppenbild (mit dame) - auch der nicht hier anwesenden- machen, um einen ausgangspunkt für diskursarchäologische untersuchung der sozialen, textuellen und mentalen querbeziehungen und abhängigkeiten zu entwerfen: ein mapping der diskursiven maschine, die die rohrpost-kommunikation antreibt: (aber bitte nicht als attachment verschicken, sonst gibts wieder ärger mit abroek. vielleicht spielt vgrass ja den cheftheoretiker (a la roland barthes in der karikatur der strukturalisten) und dr. baumgaertel? wer ist andre breton? und die dissidenten und ausgeschlossenen. wer spielt den guy debord der situationisten? ... aber das brauchen wir alles nicht, im virtuellen raum einer mailing-liste laufen die prozesse ja alle ganz anders ab. ... ich will nur einige mikroskopische text-bewegungen herausfiltern, um zu testen, ob der anspruch *kollaborativer sozialer textfilterungsprozesse* (wie er damals vom duo lovink/schulz für nettime proklamiert worden ist) auch für rohrpost aufrechterhalten werden kann.

im zeitalter der meta-kommunikation, des informations-aids und des permanenten information overloads fällt zunächst einmal angenehm auf, daß eine selbst-reflexive diskussion um die mailingliste so gut wie gar nicht stattfindet (anstrengendes beispiel: mailingliste netzliteratur, in der es auf eine angestrengende - fast gruppendynamisch typisch für revoluti ... Transfer interrupted!

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Suche: theorie
Found at least 72 matches in at least 51 files.

 

Francis Hunger <francis@hgb-leipzig.de>

Datenfäulnis

In ihrem Text "The chickens have come to the roast" schreiben Matthew Fuller und Geert Lovink im August 1999: "Vast areas of the Net lack even basic levels of interactive vitality. Lonely servers are either busy with themselves, or decay, neglected, forgotten, see their tragic counters." Sie beschreiben, wie im Zuge der Verwahrlosung Unmengen an Datenmüll, der nicht mehr gebraucht wird, entsteht und illustrieren dies mit den Worten "forgotten hotmail-accounts" und "wastelands of html-structures".

Ein ähnliches Phänomen schildert William Gibson bereits 1996 in seinem Roman "Idoru". Dort sind im Cyberspace zurückgelassene Datensammlungen einem künstlichen Fäulnisprozeß unterworfen, der sogenannten 'Bitrot - Datenfäulnis'. Bitrot visualisiert zum einen den Alterungsprozeß innerhalb einer virtuellen Realität und schafft zum anderen Kapazitäten für neue Daten.

Innerhalb dieser HTML-Wastelands haben sich HackerInnen ihre Freiräume geschaffen, indem sie den Datenraum nach innen neu strukturieren, der nach aussen nur ein Haufen Datenmüll erscheint. Sie simulieren Bitrot nach aussen, um sich im Inneren in Temporären Autonomen Zonen einzurichten. Das Konzept der Temporären Autonomen Zone, ursprünglich von Hakim Bey 1991 formuliert, findet auch in Gibsons aktuellem Buch "All tomorrows parties" seine würdige Fortsetzung.

Der Begriff der Bitrot taucht des weiteren im "Hackers Dictionary" auf. Das Hackers Dictionary wurde von Raphael Finkel 1975 in Stanford ursprünglich als "Jargon File" angelegt und hat sich inzwischen aus dieser losen Sammlung von Hackerslang zu einer 2 MB großen Datensammlung über die Hackerkultur entwickelt.

In dieser Definition von Bitrot wird ein uns allen bekanntes Phänomen beschrieben. Man hat ein oder zwei Programme geöffnet, die nichts rechnen müssen und verläßt den Computer für eine längere Zeitspanne. Wenn man zurückkehrt ist der Rechner ohne offensichtlichen Anlaß abgestürzt. Man geht davon aus, daß evtl. einzelne Bits im Prozessor z.B. durch die Einwirkung kosmischer Strahlung oder durch Stromschwankungen durcheinandergeraten bzw. wegfaulen, nachgewiesen ist dies jedoch nicht.

Wir erleben hier also Datenverluste durch Fäulnisprozesse und so sehr sie im Moment noch ungewollter Nebeneffekt sind, können sie eines Tages lebenswichtig werden, wenn nämlich alle physischer Raum von Speicherressourcen besetzt ist, wenn selbst die Mauern unserer Häuser mit Silizium durchdrungen sind.

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit auf diese Situation zu reagieren. Seit einem Jahr beschäftige ich mich mit Schwarzen Löchern im Internet, und sollte es uns gelingen, ein derartiges aufzutreiben oder auch selbst zu installieren bzw. hervorzurufen, könnten einige Problem der Datenüberflußgesellschaft gelöst werden.

 

Piotr Olszówka <polszowk@zedat.fu-berlin.de>

Antidigitaler Beweis für die Existenz Gottes

Thesen:

1. Alles, was sich verstehen läßt, ist Information, also mitteilbar.

2. Jede Information ist digitalisierbar.

3. Interessant ist jedoch nur das, was sich nicht verstehen läßt, weil nicht digitalisierbar, weil fehlerhaft, also uns ähnlich, analogisch (a-logisch), analog.

4. Selbst wenn man den genetischen Code kopiert, verbleiben Unterschiede, die aus dem Zufall (schon auf dem subatomaren Niveau) resultieren und erst diese nicht übersetzbaren, nicht mitteilbaren, nicht kopierbaren Unterschiede determinieren die Identität.

5. Es muß einen agent provocateur geben, der die dem Kopieren entgegenstehenden Fehler und Zufälle verursacht, sein Name sei Gott.

 

Manuel Bonik <manuelbonik@compuserve.com>

Three Minutes Theory

Informatik unterscheidet bekanntlich zwischen Daten und Programmen, in der Sprache der Automatentheorie: zwischen Zeichenketten und (Turing-)Maschinen. Die Unterscheidung ist hilfreich, um einigen Euphemismen die Luft rauszulassen. Denn - pauschal gesprochen - ist das Problem in der Regel nicht das Gewinnen von Zeichenketten, sondern das Finden und Erfinden von Maschinen, die mit diesen Zeichenketten umgehen können, ihnen also irgendeine Art von Sinn abgewinnen können bzw. diesen Sinn verkörpern.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die sogenannte "Entschlüsselung des menschlichen Genoms": was hier vorliegt, ist bislang nur eine gigantisch lange Zeichenkette, von der Teile vielleicht die Beschreibung von Maschinen sind, die auf anderen Teilen der Kette operieren. Der Ausdruck "Gen" drückt dabei die Hoffnung aus, daß sich die Zeichenkette in sinnvolle Untereinheiten zerlegen läßt, die man für sich betrachten und also zum Objekt der Operation von Maschinen machen kann; eine Garantie dafür ist allerdings bislang in keinster Weise bewiesen. Nun weiß man aus der Automatentheorie, daß auch sehr kleine Maschinen - z.B. die bekannten "busy beavers" - hochkomplexe Operationen vollziehen können, die aber ein sinnvolles Nachvollziehen durch den menschlichen Geist rasch unmöglich werden lassen.

Wäre dann etwa ein Genomabschnitt von, sagen wir mal, 64 Basenpaaren die Beschreibung des Programms eines bestimmten busy beavers, so würde es sich dabei durchaus um eine Einheit handeln, die grundsätzlich etwas Sinnvolles tut. Allerdings ließe sich der Sinn dieses Tuns nicht aus den 64 Basenpaaren der Programmbeschreibung, sondern nur aus der Betrachtung des praktischen Wirkens dieses Programms erkennen, und auch das nur im empirischen Vergleich mit dem Wirken aller anderen Programme, die sich mit beliebigen Kombinationen von 64 Basenpaaren beschreiben lassen. Allein den Sinn dieses kleinen Genomabschnitts zu begreifen, kann also Jahrtausende dauern.

Erschwerend hinzu käme unter anderem auch noch das bekannte Halteproblem für Turing-Maschinen in verschärfter Form. Es besteht darin, daß es erwiesenermaßen keine Turing-Maschine gibt, die auf Grundlage der Beschreibung einer Turing-Maschine angeben kann, ob diese halten wird oder nicht. Anders und verkürzt gesagt: es gibt kein Programm, daß für alle Programme sagen kann, ob sie jemals ein Ergebnis liefern. Auch hier ist der Forscher wieder auf Empirie und das heißt: Abwarten angewiesen. Die verschärfte Form des Halteproblems: Was, wenn endlich lebende Organismen mit der Existenz nichthaltender Turing-Maschinen überhaupt kein Problem haben? Ein Programm, das grundsätzlich niemals halten würde und darum gemäß der strengen Lehre gar keinen Sinn hat, würde dennoch laufen und Effekte zeitigen können, bis es - durch den Tod des Organismus - zu einem irregulären Halt kommt.

 

Elisa Rose <gunafa@well.com>

private://public - 24 Stunden/7 Tage pro Woche, also immer

Echtzeit - 20 sec hat uns endgültig mit Webcasting seit 1999 geprägt. Es wird wohl nicht mehr von uns weichen. Die Echtzeit ist mit und im Cyberspace eine maßgebliche neue Zeitrechnung. Performance die Ausdrucksform. Das Auf-und Zumachen von digitalen Informationen/Environments ist zentrales Thema. Wir sind 24 Stunden/7 Tage pro Woche public://private. Die Frage ist, wann finden die Shifts von einem zum anderen statt ? www.stationrose.com

 

Fabian Sax" <f.sax@21torr.com>

<Titel steht noch nicht genau fest>

Beliebigkeit von Informationen, Chaos, Wertedefinition. Der virtuelle Raum als Teststrecke für plakative Belanglosigkeit und regressive Sozialkompetenz. Willkommen am Arsch.

 

Dieter Wieczorek <dieter_wieczorek@hotmail.com>

zur Autogenese von Kommunikationsformen unter Bedingungungen des Everything Goes am Beispiel der Rohrpost-Liste, ein Kurzanalyse des Stands der Dinge uener die Diskurstypen, die sich dort durchgesetzt haben.