Innominate
Kerstin Tober
Ich beginne mit einer ganz kurzen Auflistung über die Geschichte unserer Firma. Wir wurden im Mai 1997 gegründet. Das waren zwei Gründer, beides Informatikstudenten. Sie haben die Firma mit viel Enthusiasmus damals schon als Linux-Firma aus der Taufe gehoben. Im April 1998 wurden wir dann Berliner Landessieger im Startup-Wettbewerb, einem Gründungswettbewerb von Stern, Sparkassen und McKinsey. Und das gab natürlich der Firma einen gewissen Aufschwung, so daß wir für die Zukunft neue Visionen einfach anvisieren konnten. Daraus folgend wurden wir im Mai 1998 der europaweit erste Support-Partner von RedHat Software. Die Firma hat sich weiterentwickelt. Wir sind jetzt ungefähr 15 Techniker. Also doch schon eine, im Linux-Bereich, mittelgroße Firma. Wir sind jetzt -- Stand Mai 1999 -- die erste deutsche Linux-Firma, die Venture Capital bekommen hat von der BMP AG. Mit dieser Kapitalausstattung ist es uns natürlich möglich, uns weiterzuentwickeln, neue Mitarbeiter einzustellen und auch Standorte innerhalb Deutschlands zu eröffnen. Etwas zum Profil zu Innominate: Wie schon im Titel erwähnt -- 'Innominate der Linux-Dienstleister' --, beschäftigt sich Innominate ausschließlich mit Linux und BSD, was -- wie sicherlich bekannt ist, gibt es da verschiedene Unterordnungen -- teilweise ein freier, teilweise ein kommerzieller Clone von Unix ist. Wir sehen uns als Allround-Systemhaus, bieten die gesamte Palette an, von der Beratung, vom Einsatz von freier Software im Unternehmen -- da haben wir z.B. ein Infotelefon: 0180 1LINUX-BIZ -- bis zu Schulungen, sowohl inhouse, als auch direkt vor Ort beim Kunden. Das geht also von ganz normalen, einfachen Schulungen: 'Was ist Linux? Wie kann ich es installieren?' bis hin zu wirklich maßgeschneiderten Schulungen für Firmen, die bestimmte Probleme haben, sei es mit dem Firewall, sei es mit File-Servern, mit Datenbank-Servern und ähnlichen Sachen. Wir entwickeln Lösungen mit den Kunden für die Kunden, implementieren dann auch die Lösungen vor Ort bei den Kunden. Wir haben auch eine kleine Softwareabteilung im Haus, so daß wir auch für den Kunden Software entwickeln können und Anpassungen für den Kunden vornehmen können. Und wir bieten natürlich auch Support an. Und zwar haben wir uns ein modulares Support-Konzept ausgedacht, das wirklich den Bedürfnissen der Kunden entspricht. D.h. eine kleine Firma nimmt entsprechend weniger Support oder kann auch etwas länger warten, braucht nicht solche schnellen Reaktionszeiten, wie vielleicht eine größere Firma, die da wichtige Prozesse dran zu hängen hat und natürlich sofort jemanden braucht, der vor Ort hilft. Es ist ganz klar: Auch in den letzten Jahren ist der Bedarf an sicheren, stabilen Lösungen gewachsen. Wir sehen da die freie Software als ein Lösungskonzept an, was genau diese Bedürfnisse erfüllen kann. Allgemein kann man sagen, daß wir IT-Dienstleistungen rund um das Computerbetriebssystem Linux anbieten. Wir können zwei Gruppen ausmachen, die wir mit unseren Dienstleistungsprodukten bedienen. Das sind einmal die kleinen, mittleren Unternehmen, die kaum IT-Know-how im Haus haben und es auch gar nicht wollen, die eine kostengünstige, stabile Variante suchen für ihre Kommunikation. Da haben wir einen Kommunikations-Server entwickelt, den Lingo-Kommunikations-Server, der auf Linux basiert, mit dem man einfache Kommunikationsprobleme effizient gestalten kann: Drucken, Faxen, Internet-Zugang, Email, aber auch einige andere Sachen, wie Datenbank- und File-Server-Anbindung. Im Laufe des letzten Jahres sind zunehmend auch mittlere und große Firmen auf uns zugetreten, die dann eher Linux-Support, Linux-Solutions wollen, bei denen es um Projekte geht, wie Netzwerkaufbau und Netzwerkmigrierung u.ä. Für diese Firmen ist der Kostenfaktor bei der Anschaffung der Software überhaupt kein Thema mehr. Sie interessiert die total cost of ownership, d.h. was kostet mich die Software im Laufe des Einsatzes, und da ist der Kaufpreis nur noch ein verschwindend geringer Bestandteil. Diese Firmen sehen, daß Linux sehr wartungsarm und sehr administrationsarm ist und damit Kosten eingespart werden können. Diese Firmen sind an der Offenheit des Systems interessiert, an der Reaktionsschnelligkeit, wenn es Probleme gibt, wenn Fehler auftauchen und natürlich an der Sicherheit, die Linux einfach auch mit bietet. Übergreifend dazu bieten wir auch, wie schon erwähnt, die modularen Wartungs- und Support-Verträge an. Je nachdem wieviel Sicherheit die Firma will, kann sie sich ihr eigenes Konzept zusammenstellen. Ganz kurz ein kleiner Einblick in unsere Kundendatei: Man sieht, daß Linux wirklich in die verschiedensten Branchen Einzug gehalten hat, Kunden wie die Karl Blatz Gruppe, sicherlich jedem bekannt von Bibi Bloxberg und Benjamin Blümchen, als auch das Deutsche Institut für Normung, das Deutsche Institut für Bautechnik, X-Online, ein Internet-Serviceprovider, der auch zu unseren Kunden gehört, sogar die Bundesdruckerei. Also wirklich große Firmen, große Institutionen sehen die Vorteile in Linux und setzten sie auch ein. Insgesamt kann man sagen, daß ungefähr 75 kleinere, mittlere und große Kunden über die gesamte Branchenvielfalt hinweg sich für Linux interessieren. Nun zu der Frage, warum nutzen wir eigentlich Open Source? Auf der einen Seite muß man sagen, daß sich in unserer Firma einfach Leute zusammengetroffen haben, die ein Interesse an Open Source haben, die die Idee interessant finden, die damit gerne arbeiten. Auf der anderen Seite haben wir einfach auch den Kundennutzen gesehen, der schon erwähnt worden ist, wie auch das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Offenheit und die Stabilität. Wir sind mit Open Software in die Möglichkeit versetzt, den Kunden all diese Vorteile zu bieten. Und schon vor zwei Jahren haben wir einfach an diese Vision geglaubt, daß es einen Linux-Markt mit einer wachsenden Akzeptanz gibt. Ich denke mal, daß die Gegenwart uns da einfach mal Recht gibt. Zum Stellenwert von Linux: Für Innominate ist Linux interessant, weil es ein völlig neuer Ansatz in der Softwareentwicklung ist und es ein völlig neues Segment im gesamten IT-Markt miteröffnet hat. Wir selbst sehen Linux als Mischung zwischen Open Source und kommerzieller Akzeptanz. Es muß beides da sein, es muß beides funktionieren, dann hat Linux auch die besten Chancen. Und zusammen mit dem LIVE Linux-Verband sehen wir uns da ein bißchen als Wegbereiter der Akzeptanz, um es noch publiker zu machen und noch mal Firmen davon zu überzeugen. Kurz zu Vorteilen und Nachteilen: In unserer bisherigen Arbeit sind uns bestimmte Sachen aufgefallen. Die Vorteile sind ja schon genannt worden. Ich fasse sie ganz kurz zusammen: Das ist die hohe Kundenakzeptanz, die auf jeden Fall im letzten Jahr erreicht worden ist; daß ein großer Markt vorhanden ist und daß man dem Kunden ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten kann. Nachteile gibt es, wie in jedem System, sicherlich auch: Einmal das Problem der Haftungsunsicherheit, weil es einfach keinen Hersteller gibt. Da wird es morgen noch einen sehr interessanten Workshop mit dem Rechtsanwalt Siepmann geben. Ein anderer Nachteil ist, daß es eher Basistechnologie ist, als wirklich komplexe Applikationen. Gegenüber kommerziellen Unixen hat man ja immer noch technologische Schwächen. Ich spreche da auf den High-End-Bereich an, auf High-Availability u.ä. Gegenüber dem Windows-System gibt es einfach im Moment noch Schwächen in der Usebility. Das heißt nicht, daß es in der Zukunft so bleiben wird. Ich denke auch nicht das es so bleiben wird. Das ist jetzt eine Bestandsaufnahme. Wenn man alles schönredet, ist ja keinem geholfen. Man muß einfach auch die Nachteile benennen, nur dann kann man sie lösen und verbessern. Innominate und die Community: Das Verhältnis zu den Entwicklern von Linux ist eigentlich in unserer Firma sehr gut. Wir haben schon viel und oft mit Entwicklern geredet, haben sie in die Problemlösung miteinbezogen. Wir haben gesagt: 'Da gibt es ein Problem, könnte man das nicht lösen?' Wir haben bisher wirklich nur positives Feedback bekommen. Es sind viele Idealisten dabei, die wollen eine sehr, sehr gute Software schreiben. Und wenn dann Feedback kommt: 'Da gibt es aber noch ein Problem', kriegt man teilweise in Stunden Lösungen dafür angeboten, die sehr, sehr gut sind. Bisher haben wir selbst nur einige kleine Patches veröffentlicht, wissen aber, daß da sicherlich noch Potential ist, und wollen auch in Zukunft daran mehr arbeiten und mehr beisteuern. Ein Ansatz, der bei uns in der Firma jetzt schon aktiv betrieben wird, ist die Promotion von OpenBSD. Da gibt es einen Mitarbeiter, der unter anderen damit betraut ist, die Änderungen am Source-Tree von OpenBSD täglich per Email an Leute zu versenden, die in einer Mailingliste gespeichert sind. So kann jeder, egal wo er ist, wenn er nur einen Email-Zugang hat, täglich die neuen Sourcen von OpenBSD haben, kann sie weiterentwickeln und kann sie einfach nur als Anwender selber nutzen. Ein letztes Projekt dazu wäre die Website www.linuxbiz.de, die wir zusammen mit dem LIVE Linux-Verband ins Leben gerufen haben. Das ist ein Forum, wo sich kommerzielle Linux-Anbieter kostenlos eintragen lassen können und dem Kunden gezeigt wird: 'Es gibt Linux-Firmen, es gibt Linux-Support. Wo ist der nächste Linux-Anbieter in meiner Nähe? Macht es Sinn, einen Berliner zu beauftragen, wenn ich in München sitze?' oder ähnliches. Einfach, um den Kunden einen Ansprechpartner, ein Forum zu bieten. Als kurzen Ausblick in die
Zukunft von Open Source möchte ich sagen, daß wir denken, daß
das Prinzip sich in vielen Teilbereichen durchsetzen wird, einfach auf
Grund seiner Leistungsfähigkeit. Wir sehen allerdings auch keinen
Zwang zu Open Source. Solche Projekte wie Lotus-Notes oder andere komplexe
Anwendungen, in dem wirklich Mann-Jahre an Software-Entwicklungsarbeit
stecken, für die wird es sich nicht unbedingt rechnen, die Sourcen
frei zugeben. Das klang ja auch so ein bißchen bei Intershop an.
Es soll kein Dogma werden, daß alle plötzlich ihre Quellen freigeben
müssen. Innominate sieht ihre Aufgabe darin, daß sie den kommerziellen
Einsatz von Linux durch Beratung, Lösungsvorschläge und After-Servicebetreuung,
wie Wartung und Support, fördern möchte.
(Transkription:
Katja Pratschke)
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