Das Internet
in Deutschland - Ein alter Hut?
(Dieser Artikel
ist in Kompass
64, 18 Juli 1995 erschienen. Er ist die ausführliche Version eines
unter dem Titel 'Step by Step' in der Zeitschrift iX, Nr. 10/94, erschienenen
Artikels)
Ein Rückblick in die GeschichteAller internationaler Netze Anfang war, zumindest aus der Perspektive der Universität zu Köln damals mit ihren zentralen Mainframes, neben der teuren Nutzung von Datex-P innerhalb Deutschlands, Ende 1984 das EARN (European Academic Research Network). Das auf einem Standleitungsnetz basierende EARN konnte immerhin mit seiner Store-and-Forward-Technik schon mal Electronic Mail versenden, und da gab es dann in den USA auch irgendwo (nämlich bei wiscvm.wisc.edu) ein Gateway ins Internet, das man damals höchstens aus dem Kino (War Games) kannte. Woanders gab es zu jener Zeit erste auf Wählverbindungen und UUCP (Unix-to-Unix-CoPy) basierende Netze, wie z.B. das EUnet (European Unix Network).Nun war E-Mail nicht alles, was das Herz begehrte, insbesondere nach dem Studium der per E-Mail besorgten RFCs (Request For Comments, die Dokumente der Internet-Welt) über Protokolle wie TCP, IP, telnet, ftp und einem mehrere Zentimeter dicken Listing, das über die verschiedenen Implementationen der Internet-Protokolle auf den unterschiedlichsten Hardware-Plattformen Auskunft gab. Dann kam für das Rechenzentrum der Universität zu Köln Ende 1986 die Ethernet-LAN Technologie ins Haus, und es ergab sich, daß auf diesem damals erstmal mit einem Host und einigen Terminalservern betriebenen LAN die TCP/IP-Protokolle eingesetzt wurden. Auch im Institut für theoretische Physik der Universität zu Köln wurde etwas später ein LAN aufgebaut. Da nun nichts näher liegt, als zwei Netzinseln zu verbinden, wurde entsprechende Hard- und Software für die Microvax dort besorgt und diese mit dem Frontend unseres Hosts mit einer Standleitung verbunden. Nach einigem "Learning by Doing" lief diese Verbindung dann. Dabei wurde IP über X.25 eingesetzt, allerdings das sogenannte DDN (Defense Data Network)-X.25, wir hatten es eben mit Software aus den USA zu tun. Und natürlich wurde "gut" geplant: Da nie (Stand Mitte 1986) eine direkte Konnektivität zum Internet in den USA möglich werden würde, wählten wir die IP-Netznummer 1.0.0.0, ein Class A Netz, um maximale Freiheiten zu genießen. In Deutschland und Europa war man damals ja vollkommen davon überzeugt und förderte auch politisch und finanziell, daß die Protokolle der OSI-Welt in Kürze weit verfügbar und stabil implementiert seien, und damit eine Basis für die herstellerunabhängige Vernetzung existieren würde. Insbesondere der Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e.V. (DFN-Verein), der übrigens in diesem Jahr sein 10-jähriges Jubiläum feierte, ist zu jener Zeit als der große Propagandist der verbindungsorientierten, OSI-basierten Protokollwelt in Deutschland zu nennen. In der Universität zu
Köln lief jedenfalls Ende 1987 eine TCP/IP-basierte Verbindnung zweier
LANs recht stabil, eine gleichfunktionale OSI/X.25-basierte Lösung
war nicht absehbar. Diese Verbindung wurde auch nicht nur zum Mail-Transport
genutzt, sondern auch Batch-Eingabe und Druckausgabe der Mainframes konnte
durch Einrichtung passender Gateways im Rechenzentrum zwischen den Mainframes
und der entstehenden TCP/IP-Unix-Welt transportiert werden.
Die War Games beginnenIm April 1988 kam eine interessante Einladung auf den Tisch: Die Informatik-Rechnerbetriebsgruppe (IRB) der Universität Dortmund veranstaltete den EUnet-Workshop. Dort stellte Daniel Karrenberg (heute RIPE-NCC, Network-Coordination-Center von RIPE, siehe auch Kasten) die Planungen zum europaweiten InterEUnet-Dienst vor, der direkten IP-Kontakt zum Internet bieten sollte. Zuvor war EUnet i.W. ein UUCP-basiertes Netz gewesen, mit internationaler DatexP-Anbindung nach Amsterdam. Nachdem Rüdiger Volk (ehemaliges DE-NIC, Network Information Center für Deutschland) dann auf entsprechende Überlegungen der IRB für Deutschland einging, verabredeten wir im Herbst 1988 erste Tests. Zum Glück gab es seit Anfang 1988 ein für solche Experimente gut brauchbares, volumenunabhängig tarifiertes Netz sozusagen als Vorläufer zum Wissenschaftsnetz, nämlich den NRW-Rechnerverbund als ein auf 9600- und 64000-Bps Standleitungen basierendes X.25-Netz.Die IRB betrieb einen anonymous-ftp-Server, was nun endlich direkten anonymous-ftp-Zugang zu den wichtigen Quellen erlaubte. Besonders förderlich war es, mit den recht frischen Kopien der GNU- und anderer Public-Domain-Pakete (emacs, gcc, ISODE usw.) zu arbeiten. Auch war auf diesem Wege erstmalig Zugang zu Netnews und Internet-Mail möglich, so daß man sich auf dem Laufenden halten konnte. Neben der IRB an der Universität Dortmund als IP-Geburtshelfer für Deutschland sollen auch die ähnlich gearteten Initiativen des Informatik-Lehrstuhls Professor Zorn an der Universität Karlsruhe zum Aufbau des XLINK (eXtended Lokales Informatik Netz Karlruhe) erwähnt werden, die eine Verbindung direkt nach USA zum NYSERNet anbot. Ende 1988 gab es jedenfalls schon einmal 2 Möglichkeiten, in Deutschland Kontakt zum Internet vermittelt zu bekommen. Darüber hinaus war in Baden-Württemberg bereits 1987 vom damaligen Ministerium für Wissenschaft und Kunst das Landesforschungsnetz BelWü gegründet worden. Zunächst basierte BelWü auf Remote-Ethernet-Bridges, seit Ende 1988 wurden dort erstmals CISCO-Router eingesetzt. Näheres zu BelWü findet sich in iX-Heft 5/1993. Wie man schon ahnt, war BelWü anders als der X.25-basierte NRW-Rechnerverbund, von Anfang an eher auf die Verbindung existierender Rechner und Netze, also z.B. den Einsatz von TCP/IP, konzipiert und bildete so früh eine weitere IP-Insel in Deutschland. Mit dem Essen kommt der Appetit
und so wurde der Wunsch immer drängender, doch direkten Internet-Zugang
zu bekommen. Anfang 1989 war anstelle der DatexP-Verbindung von Dortmund
nach Amsterdam eine 19200-Bps-Standleitung in Betrieb genommen worden.
Nach einigen Formalia (Brief über die Zusammenarbeit eines Instituts
mit einem Partner in den USA als Begründung für den CONNECT-Status)
und einigen Tests gelang dann der Aufbau der ersten direkten Verbindungen
ins Internet. Der aufmerksame Leser wird jetzt bemerken, daß damit
im August 1989 eine erste Strafarbeit für die OSI-Gläubigkeit
von 1986 fällig wurde: Mit dem direkten Kontakt zum Internet mußten
wir an einem Tag mit entsprechendem Aufwand alle IP-Adressen der Universität
zu Köln von 1.m.n.o doch auf 134.95.n.o, ein offiziell registriertes
Class B Netz, umstellen.
Koordination tut not oder ,,Die Mauer fällt"Im Jahre 1989 kam es zu einer ersten Abstimmung der IP-Interessenten in Deutschland im Rahmen des 8. Workshops "Existierende Netze im Deutschen Wissenschaftsbereich" an der TU Harburg. Zuvor war bei der 3. Tagung "Nutzung und Betrieb von Rechnernetzen" in der Woche nach Pfingsten in Mannheim eine gewisse Liberalisierung des OSI-Regimes spürbar geworden. Diese Konferenzserie wurde 1986 als Ergänzung zum ansonsten durch den damals OSI-treuen DFN-Verein beherrschten Tagungsspektrum begründet. In der 11. Mitgliedsversammlung des DFN-Vereins Mitte 1989 wurde vom Vorstandvorsitzenden Professor Dr. Jessen sogar die Planung eines IP-Knotens in Deutschland angekündigt, wobei allerdings angenommen wurde, daß "die Bedeutung der IP in der Zukunft gegenüber den OSI-Protokollen zurückgehen wird". Ende 1989 erklärte der DFN-Geschäftsführer Klaus Ullmann auf der 13. Mitgliedsversammlung des DFN-Vereins, daß durch Einsatz entsprechender "IP-Relays" im Wissenschaftsnetz entsprechend den Empfehlungen einer Arbeitsgruppe (die sich dann als WiN-IP-Planungsgruppe etablierte) der Zugang von TCP/IP-Hosts zu den "INTERNETS" möglich werden sollte, und zwar direkt mit Betriebsbeginn des Wissenschaftsnetzes.Auch in 1989 startete IBM die EASINet-Initiative (European Academic Supercomputer Initiative Net), wodurch dann Anfang 1990 ein 1.5 Mbps Link vom CERN zum NSFNET(Cornell) mit einer 256 kbps Verbindung zum DESY (Hamburg) verfügbar wurde. Entsprechend der Versprechung auf der 13. Mitgliedsversammlung des DFN fanden sich im Dezember 1989 einige mit der TCP/IP-Technik vertraute Personen im Hause der damals noch "Zentrale Projektleitung" genannten Geschäftsstelle des DFN-Vereins zusammen, um den DFN-Verein zu beraten. Die WiN-IP-Planungsgruppe war geboren, deren Aufgabe es werden sollte, sich um die operationellen Spielregeln zum Einsatz von IP im Anfang 1990 eingerichteten Wissenschaftsnetz (WiN) Gedanken zu machen. Im April 1989 waren auf europäischer Ebene auf Einladung von Rob Blokzijl, National Institute for Nuclear Physics and High-Energy Physics (NIKHEF), bereits Netzbetreiber unter dem Dach von RIPE (Reseaux IP Europeen) zusammengekommen, um gemeinsam die existierenden Internet-Strukturen in Europa zu inventarisieren und allgemein zusammenzuarbeiten, um dadurch z.B. kostensparend Leitungen gemeinsam zu nutzen oder gegenseitigen Backup bei Leitungsausfällen zu vereinbaren. Die Tendenz, auf europäischer
Ebene miteinander zu sprechen, wurde recht deutlich auf der im Mai 1990
stattfindenden ersten "Joint EARN/RARE Networking Conference" in Killarney,
Irland. Man wollte wohl mit dem Veranstaltungsort möglichst weit weg
von jedem Glaubenskrieg, der sich zwischen den recht pragmatisch orientierten
EARN-Betreibern und der Europäischen Dachorganisation der nationalen
Netzorganisationen, wie etwa in Deutschland dem DFN-Verein, die EARN eher
als durch OSI-Protokolle abzulösen ansah, abzeichnete. Unerwarteterweise
traten dort auch einige Amerikaner in einer kurzfristig angekündigten
Sitzung auf, und Phil Gross stellte sich neben einigen anderen prominenten
NetzwerkerInnen (u.a. Elise Gerich (Merit), Dan Lynch (Interop Inc.)) vor,
und erläuterte, daß er es für nachdenkenswert halte, die
TCP/IP-Protokolle auch verstärkt in Europa einzusetzen. Er verwies
dabei auch auf die erfolgreichen Verfahren der Internet-Welt, wo, anders
als in der OSI-Standard-Gremien-Welt, nur funktionierende Software Eingang
in die Internet-Standardisierung finden kann.
In gleicher Münze (passend zur Währungseinheit Mitte 1990)Und vom DFN-Verein gab es Mitte 1990 immer noch keine IP-Dienste für die Nutzer des WiN. Allerdings war es inzwischen gelungen, einige erste IP-Pakete über die zu Testzwecken seit Ende 1989 durch den DFN gemietete Standleitung Garching (IPP) - Chicago (Energy-Science-Net, ESNET) zu schicken, was aber wegen fehlender organisatorischer Rahmenbedingungen wenig fruchtbar war. Danach fand in der Woche nach Pfingsten in Köln die 4. Fachtagung "Nutzung und Betrieb von Rechnernetzen" statt, auf der wohl für den deutschen Wissenschaftsbereich erstmalig die Internet-Protokolle als unbestritten salonfähig im Mittelpunkt standen. Mit etwas Nachhilfe aus den Niederlanden (Rob Blokzijl) und Schweden (Bernhard Stockman) wurde den über 100 Teilnehmern bewußt, daß TCP/IP im WAN-Bereich tatsächlich funktioniert (außerhalb Deutschlands jedenfalls), wo man sich in Deutschland noch mit Stabilitäts- und Interoperabilitätsproblemen der einzusetzenden OSI-Protokoll-Implementationen (FTAM, X.400, DFN-RJE) innerhalb Deutschlands und dem Pilotbetrieb von der EU finanzierter Netzstrukturen wie IXI (International X.25 Interconnect) auseinandersetzen mußte.Doch "schon" im Juni 1990 wurde
auch DFN-seitig auf der 10. DFN-Betriebstagung das Thema IP über WIN
öffentlich in die Tagesordnung aufgenommen. Dort wurden dann die bisher
schon ohne Mitwirkung und in 1990 ohne finanziellen Ausgleich des DFN erreichten
Ergebnisse der WiN-IP-Planungsgruppe zu einem Aufbau des WiN/IP-Betriebs
und der ordentlichen Organisation der Zusammenarbeit der verschiedenen
Anbieter internationaler Verbindungen (EUnet, XLINK, EASInet) dargestellt.
Durch Zusammenarbeit der IP-Interessierten (u.a. Jürgen Kleinöder,
IMMD IV, Uni Erlangen) war ein Class B Netz 188.1 als IP-Overlaynetz über
das X.25-basierte WiN definiert worden. Darin wurde jedem WiN-IP-Teilnehmer
eine IP-Adresse für sein X.25-Interface am Router zugeordnet und damit
zwischen allen sogenannten vollfunktionalen Routern am WiN eine volle Vermaschung
möglich. Der Begriff vollfunktional war wichtig, um sicherzustellen,
daß beim beteiligten Gerät nicht schon bei moderater Netzgröße
(man rechnete mit ca. 100 Teilnehmern) interne Tabellen überlaufen,
da es sich bei dem benutzten Verfahren um eine n**2-Methode bzgl. des Aufwands
an Tabellen handelte. Die WiN-IP-Planungsgruppe übernahm später
die Festlegung entsprechender Begriffe. Der Sommer verging, beim DFN tat
sich wenig bzgl. IP-Angebot, EUnet und XLINK hatten guten Zulauf. Die 1000
DM im Monat für die Nutzungsgebühr waren offenbar nicht nur in
Köln leicht in der Benutzerschaft einzuwerben.
Wiedersehen in San JoseIm Herbst des Jahres trafen sich dann viele Beteiligte und Interessierte ganz woanders wieder: In San Jose, Kalifornien, bei der Interop 1990. Bis dahin waren DFN-seitig alle Hoffnungen auf die Realisierung einer weitgehend OSI- (Connection-Oriented-Network-Service, CONS) basierten Netzwelt gesetzt worden. Offenbar am Rande der Interop, wo DFN-Vorstand, GMD-Vorstand, Vertreter gewichtiger Einrichtungen aus dem HEPNET-Bereich (Hochenergiephysik-Netz) vertreten waren, wurde klar, daß die wahre, reine verbindungsorientierte OSI-Lehre nicht weiter zu vertreten war, ohne vollkommen ins Abseits zu geraten. Zudem begannen auch in dieser Zeit die Gedanken zu Client-/Server-Architekturen weiter zu sprießen und Unix als die Betriebssystem-Plattform zeichnete sich klar ab. Die nächste DFN-Betriebstagung (statt wie üblich im evangelischen Jahannesstift in Berlin-Spandau nun ausnahmsweise in Gosen südlich von Berlin in einem ehemaligen Stasi-Objekt!) war dann im November 1990 das Forum, um den Richtungswandel näher zu erfahren. Dort erklärte dann auch Klaus Ullmann, technischer Geschäftsführer des DFN, daß ein IP-Service des DFN-Vereins dringend notwendig sei und TCP/IP werde in den nächsten 5 Jahren notwendig sein. Auch die Nutzung der ConnectionLess-Network-Service (CLNS)-OSI-Variante, die im Gegensatz zum verbindungsorientierten CONS steht, wird vom DFN nun anerkannt und in Projekten verfolgt (was dann wohl Ende 1993 im Projekt JOIN (Join OSI-IP Networks) mündete) und es wird klar, daß auch die Nutzung von OSI-Protokollen ab Ende 1992 für die Nutzer (wie schon bisher bei TCP/IP) Geld kosten wird. Der DFN-Verein will jetzt schnell im IP-Umfeld handlungsfähig werden.Im Dezember 1990 lädt der DFN-Verein wieder die WiN-IP-Planungsgruppe ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es gab inzwischen brauchbare Dienste von EASInet, EUnet und XLINK, und nun ging es darum, den neuen DFN-Dienst möglichst wohlkoordiniert zu beginnen. Nebenbei: Es war ein furchtbarer Schnee in Berlin danach, wir mußten sogar noch übernachten, weil die Flugzeuge in Tegel vereist waren. Und nicht nur die Flugzeuge waren vereist - der DFN hatte noch immer keine Person präsentieren können, die für das DFN-IP-Geschäft hätte verantwortlich sprechen können und so endete die Sitzung ohne greifbare Ergebnisse, nur mit einer Liste von Voraussetzungen für ein nächstes Treffen. Auf der nächsten Sitzung der Gruppe am 21. Januar 1991 in Köln war immerhin als Fortschritt zu verbuchen, daß DFN sich in einem Letter of Intent auf den Auftragnehmer GMD für die Erbringung von IP-Vermittlungsdienstleistung festgelegt hatte, obwohl bemerkenswerterweise kein DFN-Vertreter anwesend sein konnte. Offen blieben weiter die Fragen nach der DE-NIC-Plazierung, der Koordination mit den anderen Dienstanbietern (EASINET, EUnet, XLINK) und der europäischen Einbindung. Immer um positive Ergebnisse gemüht, begann die Planungsgruppe mit der Erstellung von Arbeitspapieren wie etwa zu NIC- und NOC-Requirements, Dokumentation-Requirements, Nameserver-Konfiguration und Router-Konfiguration. In der Folgezeit kam es in mehreren Sitzungen zu einer recht fruchtbaren Zusammenarbeit der IP-Protogonisten aus Hamburg (Dr. Hans Frese, Lutz Brunke), Karlsruhe (Arnold Nipper), Stuttgart (Peter Merdian, Joseph Michl, Ulrike Dillmann), Dortmund (Andreas Schachtner), Bielefeld (Frank Klapper), Erlangen (Jürgen Kleinöder, Dirk Husemann, Törleß Eckert), St. Augustin (Manfred Bogen, Ferdinand Hommes, Paul Mies, Willi Porten), Köln (Axel Clauberg, Claus Kalle) und immer wieder Dortmund (Rüdiger Volk). Erstellte Papiere zu organisatorisch-betrieblichen Themen wurden wie alle Dokumente/Protokolle der Gruppe per anonymous-ftp öffentlich verfügbar gemacht (auf deins.informatik.uni-Dortmund.DE), diskutiert und fortgeschrieben. Letztendlich war zu bedauern, daß der DFN die Ende 1989 auf der 13. Mitgliederversammlung gemachte Zusage, mit der vollen Inbetriebnahme des Wissenschaftsnetzes WiN im April 1990 auch entsprechende internationale TCP/IP-Konnektivität bereitzustellen, erst über 1 Jahr mit einem eigenen Serviceangebot verspätet erfüllen konnte, obwohl es technisch und auch sonst nicht unmöglich sein konnte, wie die Beispiele EUnet und XLINK bereits zeigten.
Europäische EinbindungDoch Partner für deutsche Wissenschaftler sitzen nicht nur in USA und Deutschland, sondern auch in den europäischen Nachbarstaaten. Auf europäischer Ebene hatte sich mit RIPE eine Koordinationsgruppe etabliert, die sich als Diskussionsplattform für IP-Netzbetreiber und Nutzer in Europa versteht. Von einigen Netzbetreibern wurde dann 1991 begonnen, eine europäische IP-Backbone-Struktur namens EBONE zu planen und aufzubauen. EBONE war von Anfang an als Konsolidierungsmaßnahme der existierenden europäischen Netze konzipiert und wurde durch die Verbindung der von den verschiedenen Teilnehmern eingebrachten Resourcen Wirklichkeit. Zunächst war hier auch deutsche Teilnahme (DESY) beim Aufbau einer Diamant-Topologie geplant, letztlich ergab sich dann aber ein Diamant westlich an Deutschland vorbei (Stockholm-London-Montpellier-CERN- Amsterdam-Stockholm). Der DFN-Verein stand diesen RIPE- und EBONE-Aktivitäten bestenfalls abwartend positiv gegenüber.Nachdem in einem Gespräch
mit dem Vorstandsvorsitzenden Professor Haupt (RWTH Aachen) und Herrn Ullmann
(DFN-Geschäftsstelle) am 10. Juli 1991 die Vorschläge und Bedenken
der Planungsgruppe besprochen wurden, kam es am 12. November zu einer Diskussion
über die Europäische Einbindung der DFN-IP-Dienste in einer Sitzung
des technischen Ausschuß des DFN. Dort wurde klar, daß in der
nächsten Zeit mit keiner Berücksichtigung der mehrfach auch auf
DFN-Betriebstagungen vorgebrachten Bedenken zu rechnen war und DFN bei
einer vorzugsweisen Berücksichtigung der X.25-basierten OSI-Protokollwelten
bleiben wollte, da, wie der technische Geschäftsführer schätzte,
in den nächsten Jahren mit 100.000 OSI-Hosts in Deutschland und 500.000
OSI-Hosts im europäischen Forschungsbereich zu rechnen sei. Die große
Hoffnung wurde auf ein damals noch nicht existentes European MultiProtocol
Backbone (EMPB) gesetzt. Mitglieder der WiN-IP-Planungsgruppe verfaßten
dann, wie in der Sitzung des technischen Ausschuß beschlossen, zur
Problematik der europäischen Konnektivität dann noch ein Papier
(ftp://deins.informatik.uni-dortmund.de/WiN-IP/WiN-IP-PG/empfehlungen/
europa-anbindung-jan92.txt), auf das vom DFN-Verein allerdings keine
Reaktion und Diskussion folgte.
Ein stabiles DE-NICAb 1.1.1991 war der Ende 1990 gefährdete, bislang auf freiwilliger Basis geleistete Betrieb des DE-NIC bei der IRB Uni Dortmund endlich durch einen Vertrag mit dem DFN-Verein zunächst wenigstens finanziell gesichert, was auf dem Weg zu einer gemeinsamen Finanzierung durch die Nutzer sicher als ein Schritt in die richtige Richtung zu werten war. Leider verschärfte sich im Laufe des Jahres die Problematik wieder, der DFN-Verein wollte das DE-NIC in Berlin ansiedeln, und so war die Perspektive für ein stabil etabliertes, funktionierendes DE-NIC mit seiner Zuständigkeit für Deutschland als delegated registry der IANA und dem Betrieb entsprechender Dienste wieder eine offene Frage. Beim DE-NIC wird die Domainnamen-Vergabe, Verwaltung der Internet-Adressen und auch der Betrieb der Rechners mit den Primary-Nameserver-Definitionen für ganz Deutschland wahrgenommen. Nachdem Verhandlungen zwischen DFN-Verein und Universität Dortmund auch im 3. Quartal 1991 nicht erfolgreich einvernehmlich abgeschlossen werden konnten, gab es im 4. Quartal intensive Aktivitäten zur Gründung einer Interessensgemeinschaft der Internet-Benutzer in Deutschland, um die Belange der Nutzer der Internet-Welt intensiver vertreten zu können. Auf Einladung von Dave Morton (ECRC) und anderen fand sich am 6.12.1991 in den Räumen der Siemens AG, München, zum ersten Mal DFN-unabhängig die deutsche Internet-Community mit mehreren 100 Teilnehmern zusammen, um die DE-NIC Problematik und andere IP-bezogene Themen und gemeinschaftliche Aufgaben offen zu diskutieren. Durch entsprechende Teilnehmeranteile aus nicht-akademischen Einrichtungen wurde hier auch deren Interesse an einer geregelten IP-Infrastruktur in Deutschland deutlich. Während der CeBIT'92 fand dann die formale Gründung der Deutschen Interessen-Gemeinschaft Internet e.V. (DIGI) statt. DIGI hat seitdem neben wichtigen DE-NIC-bezogenen Aktivitäten und der Arbeit der Arbeitskreise zwei gutbesuchte Tagungen mit Tutorials unter dem Namen OPENNET veranstaltet. In 1994 wird die OPENNET in Göttingen stattfinden.Der Siegeszug des InternetIm Jahre 1991 wurden, nachdem alle Verkehrsprognosen für das WiN übertroffen wurden, die ersten "intelligenteren" Anwendungen im Internet, wie z.B. archie, verfügbar. Dieser Trend verstärkte sich in 1992 mit der beginnenden Durchsetzung von Informationssystemen wie Gopher und WAIS, die eine immer stärker werdende Akzeptanz von TCP/IP auch im deutschen Wissenschaftsbereich zur Folge hatten. Die Aktivitäten der WiN-IP-Planungsgruppe setzten sich auch in 1992 fort. Es wurde u.a. eine Umfrage zur Nutzung und Akzeptanz der IP-Dienste verschiedener Serviceprovider durchgeführt (ftp://deins.informatik.Uni-Dortmund.DE/WiN-IP/umfrage.9211/), ausgewertet und präsentiert.In 1992 begannen dann auch Initiativen wie der Individual Network (IN) e.V. mit dem Aufbau alternativer Verfahren und Strukturen zur Bereitstellung von IP-Diensten. Auch das IN nahm im Weiteren aktiv an der Gestaltung der deutschen IP-Landschaft teil, indem z.B. Andreas Bäß (gun.de) zu den Sitzungen der WiN-IP-Planungsgruppe beitrug. Nicht zuletzt die Netnews-Verteilung wäre ohne die IN-Mitarbeit nur schleppend vorangekommen. Weiter konnte in 1992 die Diskussion zur Regelung eines ordentlich finanzierten und institutionalisierten DE-NIC mit längerfristiger Perspektive vorangetrieben werden. In dem von DIGI ins Leben gerufenen DE-NIC-Beirat wurde in Zusammenarbeit zwischen den Dienstbietern mit Beratung der WiN-IP-Planungsgruppe die wahrzunehmenden Aufgaben näher spezifiziert und eine Realisierungsmöglichkeit gesucht. Auch die Dienstanbieter entwuchsen allmählich den Kinderschuhen: Das Drittmittelprojekt EUnet der IRB der Uni Dortmund wurde Ende 1992 zur GmbH und auch das XLINK-Projekt an der Uni Karlsruhe wurde, allerdings erst Ende 1993, Tochter der NTG, ihrerseits Tochter von Bull. Anfang 1993 wurde dann der
Wirkbetrieb des 2 Mbps-WiN aufgenommen, was einen Schub für die Nutzung
der TCP/IP-Anwendungen ergab, denn nun war es im WiN möglich, in akzeptabler
Zeit auch Bitmap-Grafiken im Weitverkehrsbereich zu übertragen (X11,
GIFs usw.). Auch NCSA Mosaic als WWW-Browser ist eine typische Anwendung,
die Bandbreiten weit über 64 Kbps erfordert, um Grafiken schnell genug
übertragen zu bekommen. Neben dieser deutschlandinternen Bandbreitenerhöhung
wurden auch die Leitungen ins Ausland regelmäßig dem Bedarf
angepaßt. Insgesamt ist weltweit ein z.Zt. noch exponentielles Wachstum
verschiedener Kenngrößen des Internet (Verkehr, Anzahl Hosts)
zu beobachten.
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Eine andere Neuerung Anfang
1993 war auch der Betrieb eines EBS (EBONE Boundary System) in St. Augustin
bei der GMD, allerdings nicht für die deutsche Wissenschaftswelt.
Dabei wäre dies eine gute Möglichkeit gewesen, endlich die IP-Strukturen
in Deutschland wohlkoordiniert international einzugliedern (siehe Abb.
3). Für die vom DFN versorgten Einrichtungen wurde jedoch in 1993
die Realisierung des EMPB unter dem Dach von DANTE Ltd. für die Anbindung
an die Wissenschaftsnetze einiger europäische Staaten verfügbar.
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