Freie Software an Schulen 

Peter Bingel - Freie Software und Bildung e.V.  
 
 

 

RealVideo: Modem | ISDN   
 
1. Von Freier Software und Bildung

Freie Software? Warum sollen wir als Lehrer das Abenteuer eingehen, Freie Software zu verwenden und Gefahr laufen, da und dort vor Problemen zu stehen, weil man dieses und jenes, was man gerne machen möchte oder muss, eben nicht machen kann, weil es unter Freier Software (noch) nicht möglich ist? Und warum sich den Ärger mit Kollegen einhandeln, die nicht einsehen wollen, warum man solche "Hackersysteme" überhaupt benutzen soll. Es gibt doch schließlich einen "Industriestandard" und außerdem: Wir wollen unsere Kinder doch optimal auf das vorbereiten, was sie später in der Wirtschaft vorfinden. Also, warum sich noch die Mühe machen und sich mit Freier Software beschäftigen?  
 

1.1 Kulturtechniken ... ? 

Vor einiger Zeit erhielt ich als zuständiger Informatiklehrer meiner Schule die CDRom einer weltbekannten Firma in der sie, "ein zukunkunftssicheres Stufenkonzept" für den Bildungsbereich vorstellte. Nach der Einführung, dass man nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt, erhielt ich Aufklärung darüber, dass der sichere Umgang mit dem PC zur Kulturtechnik werden wird. Dem möchte ich nicht widersprechen. Sodann erfuhr ich, dass die Schule in die Lage versetzt werden soll, "Schülern Kompetenz und verantwortungsvollen Umgang mit den Medien zu vermitteln und ihnen das Rüstzeug für den Alltag mit(zu)geben." Auch dem möchte ich nicht widersprechen. Es ist so.  

Die angesprochene Vermittlung vom Kulturtechnik und Kompetenz sollte sich, so die Aussage, hauptsächlich auf das Erlernen von Techniken beziehen, "die in großem Maße ihre Arbeitswelt prägen werden" und die in möglichst allen Fächern zum Tragen kommen sollen. Das ist an sich etwas Gutes - wer wollte etwas dagegen haben?  

Kritischer musste ich allerdings die Aussagen dieser CD betrachten, als ich erfuhr, dass diese Kulturtechniken und diese Kompetenz sich zum großen Teil auf das Bedienen der Software eben dieser einen Firma bezog. Das stieß mir doch etwas auf. Mir fiel als Beispiel das Autofahren ein: Wer Auto fahren lernt, lernt eben Auto fahren und nicht Mercedes oder VW fahren. Ich will damit die Frage aufwerfen: Ist das Erlernen der Bedienung von Programmen einer einzigen Firma eine Kulturtechnik? Eben diese Vorstellung wurde suggeriert.  

Und hier war ich als Lehrer gefordert. Als Lehrer habe ich nämlich einen Bildungsauftrag. Und dieser Bildungsauftrag besagt bis heute, dass ich die Heranwachsenden zu freien, selbstständigen und mündigen Bürgern unserer Welt heranleiten soll. Ein Teil dieser Bildung umfaßt unbedingt das Erlernen von Kutlturtechniken. Aber seit wann ist die Schrift, die ich schreibe, das Eigentum einer Firma für die ich bezahlen muss? Seit wann ist die Mathematik mir der ich rechne, das Patent eines Konzerns, für das ich Lizenzen entrichten soll? Seit wann sind die Techniken und die Mittel der verschiedenen Kulturbereiche der Besitz eines Menschen oder eines Unternehmens?  

An dieser Stelle ist erkennbar, wo sich Freie Software und Bildung berühren. Wenn die neuen Medien, deren wichtigster Teil Software ist - was ist ein Computer ohne Software? wertlos! - wenn diese Medien unsere Welt immer mehr prägen, auch zum Kulturgut gehören, dann ist es doch ganz wichtig, dass sie für alle frei und offen zugänglich sind - es geht hier nicht um kostenlos - und dass sie Allgemeingut sind.  

Freie Software schafft, so denke ich, einen informationellen Freiraum. Entscheidend ist, dass sie für jeden verfügbar und zu besitzen ist und mit ihrer Hilfe ein von kommerziellen Interessen unabhängiger Raum entsteht. Und ich denke, dieser freie Raum ist besonders für den Bildungsbereich wichtig.  

Wir leben in einer Zeit in der leider zunehmend viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens kommerzialisiert werden. Wenn aber wissenschaftliche Erkenntnisse samt der Bildung und Weiterbildung kommerzialisiert wird, hat das zur Folge, dass die Inhalte dieser Bereiche von den Interesssen der kommerziellen Anbieter geprägt werden (können). Die Gefahr einer Einflussnahme ist zumindest nicht auszuschließen...  
 

1.2 Offene Wissensquellen?! 

Es geht aber nicht nur um Software im Sinne von Programmen und Protokollen, sondern auch um digital gespeichertes Wissen. Immer mehr Wissen wird heutzutage digital gespeichert. Dadurch ist es für einen größeren Kreis schneller verfügbar. Das ist an sich ein Fortschritt und für die Bildung der Menschen auf allen Kontinenten ein nicht zu unterschätzender positiver Faktor. Was passiert aber, wenn dieses digitalisierte Wissen in Zukunft unter kommerzielle Regie gerät?  

Wie schrieb Philippe Queau, Direktor der UNESCO-Abteilung für Information und Informatik:  

"Der wirkliche Zugang zur Information wird das größte Problem der Cybergesellschaft sein." 
(Nachzulesen in Telepolis am 22.11.98) 
Am 22. 1. 99 hieß es ebendort unter der Überschrift: "Die Wissenskriege haben begonnen" weiter:  
"Die Produktion von Wissen und die Profitausrichtung seien zwei verschiedene Töpfe, meinte ein Wirtschaftsforscher aus Berlin. Vermische man beide Bereiche zu sehr, sei die Unabhängigkeit der Wissensschaffung nicht gewährleistet. Die Abgesandten aus Pennsylvania erklärten die Staatsunterstützung für die Forschung und Wissensvermittlung dagegen als nicht mehr zeitgemäß. 'Bevor ich meinen Job verliere', brachte auch Virginia Cano vom Queen Margaret College in England die Meinung vieler ihrer Kollegen auf den Punkt, 'werde ich lieber zur Unternehmerin in meiner Profession.'" 
Es wäre ja wirklich schön, wenn sie dabei unabhängige Unternehmerin in eigener Profession sein könnte. Ich wage es zu bezweifeln. Denn ihr Geld wird sie wahrscheinlich von denen erhalten, die es haben: den Konzernen.  

Weiter entscheidend für die zukünftige Bildung ist die Standartisierung von Ausbildungsinhalten. Und auch da spielt die Weltfirma aus dem Nordwesten der USA wieder eine Rolle. In dem oben genannten Artikel heißt es weiter:  

"Vor allem in der technologisch ausgerichteten 'Nerd-Session' drehte sich alles um die Frage, wann Microsoft mit einem Standard für die Content-Produktion im Bildungssektor auf den Markt komme oder gar eine eigene Universität gründe. 'Bill Gates kauft weltweit die Urheberrechte an Bildern auf', erinnerte Kjöllerström an die Konkurrenz, die Gates' Firma Corbis als wichtiger Player im Inhaltebereich bereits heute darstellt.  

Bestärkt wurden die Befürchtungen der akademischen Community durch die Tatsache, daß Microsoft zusammen mit anderen Firmen aus der Computerindustrie wie Apple, IBM oder Sun sowie mit amerikanischen Staatsuniversitäten das IMS-Projekt (Instructional Management System) vorantreibt. Unter dieser Dachorganisation versuchen die Beteiligten, Standards für den (ich möchte hinzufügen: proprietären) Datenaustausch im Bereich Lernsoftware zu entwickeln. Einsatzmöglichkeiten dieser Metadaten wären beispielsweise die Erstellung von Profilen der Software-Anwender oder die Integration der Programme mit E-Commerce-Möglichkeiten, die dem Lerner Bücher oder andere ergänzende Lehrmaterialien offerieren." 

Es fällt nicht schwer zu überdenken, was eine kommerzialisierte Wissensbasis bedeutet. Wissen ist Macht. Kommerzialisiertes Wissen ist kommerzielle Macht über Menschen -- und letzten Endes auch politische. Über kontrollierte und nicht mehr von außen überprüfbare Inhalte ist Kontrolle über Menschen möglich. Auf Papier geschriebene Dokumente sind nach Jahrhunderten noch überprüfbar. Aber wie leicht ist digitalisiertes Wissen veränderbar? Ist das später noch nachvollziehbar, wenn die Quellen nicht mehr offen zugänglich sein sollten? Schon heute stellen internationale Großkonzerne eigene Historiker ein, um die Geschichte ihres Konzerns zu schreiben. Und auch hier gilt: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.  

Ich denke, die obigen Punkte zeigen, wie wichtig Freie Software und freie Wissensquellen sind. Beide hängen ganz eng zusammen.  
 

2. Freie Software im Schulalltag - das Beispiel Linux

2.1 Zahlen 

Genaue Zahlen, wieviele deutsche Schulen Linux auf wieviel Rechnern einsetzen, gibt es nicht. Sehr vorsichtig geschätzt, sind es gut und gerne 6000 Schulen, wahrscheinlich mehr. Zu den eingestzten Linux-Versionen zählen: der C't-ODS-Server, der STZ-Server, weiter die Standard-Distributionen - alleine rund 2000 SuSE 6.0, aber auch Debian, DLD und andere. Ich kenne selbst Microsoft-Partnerschulen, der Internetzugang über Linux realisiert ist. Oder wie in Bonn ein Gymnasium, dessen Internetzugang vor Jahren von einem Studenten unter Linux realsiert wurde. Das System läuft seitdem einwandfrei, ohne dass einer es bedienen könnte.  

Tatsächlich dürften deutlich über 10% aller deutschen Schulen Linux einsetzen.  

Hauptsächlich wird Linux bis heute für Servereinsätze gebraucht, oft auch nur als reiner Internetzugang, relativ wenig bislang als Desktopsystem, wenn, dann meist parallel mit Windows, aber es gibt bereits Beispiele, wo Schulen nur noch Linuxclients einsetzen. Im Augenblick befinden wir uns an einer Schwelle. Freie Software finden immer mehr Akzeptanz unter den Lehrern. Im Bundesgebiet gibt es einige Aktionskreise von Kollegen, z.B. in Hamburg, in Baden-Württemberg, durch die der Einsatz von Linux nicht nur als Serversystem gefördert wird. Und es gibt seit neuestem den FSuB e. V., der sich bundesweit der Förderung Freier Software im Bildungsbereich verschrieben hat.  
 

2.2 Die Server-Seite 

Auf der Serverseite ist Linux an den Schulen am häufigsten vertreten. Durch die Tatsache, dass jede Linuxdistribution sowohl ein ausgewachsenes Server- wie auch ein Desktopsystem ist, gibt es keine Unterschiede wie bei MS-Produkten.  

Windowsclients lassen sich z. B. über den C't-Server problemlos einbinden. Die Einbindung von Linuxclients, ja sogar von Terminals ist kein Problem. Soll der Server auch gleichzeitig als Lehrerarbeitsplatz dienen, ist eine normale Distribution angesagt.  
 

2.3 Die Client-Seite 

Bis jetzt dominiert auf der Client-Seite eindeutig der Windows-PC. Allerdings ist für Linux der gesamte Grundbedarf an Standardsoftware vorhanden:  

  • Textverarbeitung
  • Tabellenkalkulation
  • Datenbank
  • Bildbearbeitung
  • Browser
  • E-mail
  • Programmiersprachen
  • mathematische und technische Software u. a. m.
Man glaubt gar nicht, wieviel Software es schon für Linux gibt und wieviel davon an Schulen eingesetzt werden kann, meist ohne Geld- und Linzenzprobleme. Eine Übersicht über möglich einsetzbare Softwre findet z.B. auf den Internetseiten: http://fsub.schule.de 
bzw. http://linux.schule.de 
 

2.4 Was sagen Kollegen über den Einsatz von Linux? 

Ein Kollege aus Hannover schreibt:  

"Zur Historie: Ich habe in der Tat mit LINUX als Kommunikationsserver angefangen mit NT als Betriebsystem (Server -Client). Dabei haben sich die Schwierigkeiten so sehr gehäuft, daß ich mit LINUX als Client angefangen habe. Daß die Ergebnisse positiv waren brauche ich nicht zu erklären, sonst wäre ich nicht in die "LINUX auf den Desktop" Fraktion gewechselt.  

Was die mathematisch naturwissenschaftliche Software unter LINUX angeht: Hier ist ein solcher Reichtum an Programmen vorhanden, daß ich selbst mir eine 10GB Festplatte gekauft habe um überhaupt die Chance zu erhalten, alle Programme die mich interessieren könnten, auszuprobieren.  

Derzeit sind meine Favoriten:  

  • gnuplot: Der ultimative Funktionenplotter. Nicht wegen seiner vielen Fähigkeiten sondern seiner unglaublich einfachen Bedienung. 
  • mgr: Ein wahnsinnig leistungsfähiges Auswertungsprogramm für Meßdaten. 
  • GIMP: Das ultimative Zeichenprogramm/Bildverarbeitungsprogramm. 
  • LyX/KLyX: Facharbeiten schreiben sich so einfach wie unter keinem anderen Textverarbeitungsprogramm. 
  • MuPAD: Das für Schulen, Schüler, Lehrer kostenlose Computer Algebra System mit phantastischem Support. 
  • rasmol: Wahnsinnige Einsichten in Molekülstrukturen. 
  • xsky: Für Astronomen ein tolles Programm. 
  • asWedit: Der HTML-Editor mit unwahrscheinlich exaktem Syntaxprüfer. Zum Lernen ideal. 
  • Und natürlich die Standardprogramme Netscape und StarOffice 5.1, das letzte wird in einer speziellen Schulversion vertrieben, die einfache (lokale) Registrierung ermöglicht." 
Ein anderer Kollege, in Berlin:  
"9. Klasse ITG: Die Schülerinnen und Schüler haben alle ein ihnen unbekanntes System vor sich. Viele Disziplinproblemchen und Abgelenktheiten, die dadurch entstehen, daß (zumeist die Jungen) mal eben zeigen müssen, was sie schon alles mit Windows anstellen können, entfallen.  

Nach einigen Unterrichtsstunden äußern sich die "Kenner" der Computerscene sehr positiv über KDE und die Programme. Nachdem ihnen die Unterschiede zwischen vernetzten Windows-PCs und dieser Anlage modellhaft erklärt wurden, erkennen Sie deren Vorteile und nennen als Nachteili nur, daß eine "Realtime- Video-Bearbeitung" an 12 Arbeitsplätzen wohl nicht möglich sei" (wie wahr, aber wer will das schon im Unterricht machen).  

Alle Themenbereiche, die wir im ITG behandeln wollen und sollen, können ohne Probleme mit unserer Anlage abgedeckt werden. Es geht uns um die Vermittlung grundsätzlicher Konzepte und Prinzipien und nicht um eine Benutzerschulung für kurzlebige Softwareprodukte, die die Schüler beim Verlassen der Schule eh nicht mehr vorfinden!  

Informatikunterricht: Da wir bisher schon ausschließlich unter Linux gearbeitet haben (Textmodus oder fvwm2) wird vor allem KDE als Fortschritt empfunden. Unsere Freaks (Oberstufen-Schüler) halten eh nichts von Microsoft-Systemen, weshalb hier keine Forderungen in dieser Richtung entstehen.  

Kollegen anderer Fachbereiche: Alle Internet- und Mailanwendungen (z.B. im Englischunterricht) werden ohne Murren unter Linux gefahren, da Netscape "wie zu Hause" aussieht. Nachdem man den Kollegen gezeigt hat, dass man auch mit Applixware per e-mail mitgeschickte *.doc - Dokumente lesen kann (natürlich mit dem Hinweis, daß Profis solch ein Format niemals wählen würden), sind alle "glücklich".  

Einige Kollegen (Musikfachbereich, PW-Fachbereich), die mit "Windows-CDs" arbeiten wollen, benutzen unseren 2. Computerraum, in dem (noch) PCs stehen, die alternativ unter Windows95 oder Linux betrieben werden können und z.Z. von Oberstufenschülern gewartet werden. Diese unterrichtliche Nutzung erfolgt allerdings sehr selten (ca. 10 Std. pro Jahr).  

WINDOWS-Programme auf X-Terminals Wer unbedingt spezielle Programme unter Windows mit der oben beschriebenen Anlage nutzen will, kann wie folgt vorgehen (getestet):  

Ein zweiter Server wird als Windows-NT-Terminalserver (Multiusersystem) installiert, zusätzlich wird von der Firma Citrix das Produkt Metaframe auf diesem Server eingespielt.  

Auf dem Linux-Server wird der Linux-ICA-Client installiert (aus dem Internet). Der Terminalserver wird als "Applikationsserver" konfiguriert, dh. auf dem Windows-Server werden ausgewählte Programme zur Ausführung "freigegeben". Diese Programmnamen werden auf dem Linuxrechner für den ICA-Clienten ebenfalls in einer Tabelle eingetragen (root). Jeder Benutzer kann nun unter KDE den zentral installierten Linux-ICA-Clienten starten und aus dieser Tabelle eine Applikation wählen, die dann auf dem Terminalserver läuft, deren Ausgaben aber in einem Fenster auf dem KDE-Desktop des X-Terminals erfolgen. Mit der Windows-Oberfläche kommt der Benutzer nicht in Kontakt, da mit dem Beenden der M$-Applikation auch das Fenster geschlossen wird.  

Da der Zugang für diesen Betrieb sich anonym einrichten läßt, ist auf dem Microsoft-Server keine zusätzliche Benutzerverwaltung erforderlich. Um die Dokumente im eigenen Bereich (Heimatverzeichnis des Linux-Servers) ablegen zu können, wird SAMBA verwendet (Speichern unter: Netzwerkumgebung -> Linux-Server).  

Diese zuletzt beschrieben Lösung für alle, die meinen, unbedingt M$-Programme nutzen zu müssen, ist allerdings "sauteuer". Da unsere Arbeitszeit und unsrere Freizeit aber auch sehr teuer ist, sollten wir von den "Beschaffern" solche Lösungen, die den Administrationsaufwand minimieren, fordern, oder (noch besser) ganz auf MS verzichten." 

Ein weiterer Kollege aus Eppelheim schrieb:  
"Wir sind ein allgemeinbildendes Gymnasium. Alle unsere Computer stehen in einem Computerraum mit einem Server und 14 Schüler-Arbeitsplätzen. Alle Schüler-Rechner können wahlweise unter Linux oder unter Windows hochgefahren werden. Unsere Distribution ist debian. Sowie man häufige Upgrades plant, scheint die Frage SuSE oder debian nicht mehr so klar zu sein, denn bei debian läuft der Upgrade praktisch automatisch (heute von hamm nach slink ausprobiert). Sind der Server und ein weiterer Rechner fertig, können wir die anderen Rechner über das Netz mit rsync spiegeln und so ebenfalls upgraden. Geht das alles mit SuSE ebenso bequem?  

Viel schwieriger ist die Frage der tatsächlichen Benutzung der Rechner durch die weniger sachverständigen Kollegen. In Wirklichkeit trauen sich eigentlich nur zwei Kollegen, unter Linux zu arbeiten. Es fehlt auch an Dokumentation; meine Zeit reicht nicht aus, die ordentlich zu schreiben.  

Wenn man dagegen mit Schülern arbeitet, so finden sie sich schnell zurecht und haben auch bald Spass an den Möglichkeiten eines Mehr-Platz-Systems. gnuplot, applixware, maple und anderes habe ich schon eingesetzt." 

Das waren drei Beispiele aus aus allgemeinbildenden Schulen, die wie ich im Unterricht Linux auf dem Server und dem Desktop einsetzen. Es gibt noch eine Reihe Beispiele mehr. Auch an meiner Schule (Hauptschule in NRW) wird Linux auf dem Server und den Desktops der Schüler eingesetzt. Selbst Grundschulen setzen bereits Linux ein.  

Wenn Sie jetzt sagen: Von den Programmen, die ich da gehört habe, sind aber nicht alle Freie Software, dann muss ich sagen: Ja, dass stimmt. Ich denke auch, dass nicht unbedingt jede Software Freie Softeware sein muss. Aber die Grundlage des Computereinsatzes, das Betriebssystem sowie die grundlegenden nötigen Anwenderprogramme, die sollten in überwiegender Zahl auch im Sourcecode frei zugänglich sein.  
 

2.5 Und was machen wir mit Windows-Programmen? 

Ja, was tun? Wie der eben genannte Kollege schon richtig sagte: Die obige Lösung ist sauteuer - und damit für viele leider nicht realisierbar. Aber vielleicht kann der eine und andere sie doch umsetzen.  

Unumgänglich ist bis heute eine Möglichkeit, Windows-Programme an Schulen laufen zu lassen. Viele Kollegen sind geradezu gezwungen, Windows-Programme zu benutzen. Nicht jeder ist in der glücklichen Lage wie ich, alleine über die Ausstattung des Computerraums bestimmen zu können. Viele Kollegen werden durch andere Kollegen ihrer Schule genötigt, bestimmte Programme zu benutzen, weil sie gerade diese haben wollen oder gar kein Pendant vorhanden ist. Dies trifft besonders für den Bereich der sogenannten Schulsoftware im sprachlichen Bereich zu.  

Das Problem löste ein Kollege so : Das machen wir mit einer Partition mit WIN 3.11 und LILO. Nun, mit Win95 und LILO geht es auch. Eine endgültige Lösung sollte es aber nicht sein und eine freie Windowsemulation wäre wünschenswert.  
 

2.6 Freie Software im Unterricht - die Praxis 

Zuersteinmal: alle Standardanwendungen sind unter Linux genauso gut zu gebrauchen wie unter Windows. Ich brauche sie nicht alle aufzuzählen. Netscape als Internet-Client (alle Internet-Dienste) ist nach der Einrichtungsprozedur (die ist wirklich lästig) und unter Windows wie unter LINUX gleich gut geeignet. Für Facharbeiten haben sich kLyX/LyX, MuPAD, gnuplot und xmgr in der Mathematik/Naturwissenschaften sehr bewährt. MuPAD gibt es auch für Windows. In der Light Version (für Schulen, Schüler und Lehrer kostenlos) ist die Win Version aber schwächer. In der Bedienung sind beide identisch. Sehr gut ist alle Software, die über den Webserver verteilt wird. Hierzu zählen insbesondere die JAVA Applets von Walter Fendt und Geonet. Für einige Fachanwendungen sind die Linuxderivate noch nicht so schön und ausgereift, aber sie sind vorhanden.  

Nicht alles an Freier Software ist optimal, wobei sich Vor- und Nachteile ausgleichen können. Beispiel sei MuPAD: Das für Schulen, Schüler, Lehrer kostenlose Computer-Algebra-System hat phantastischen Support. Verglichen mit dem recht teuren Maple sind die Ausgabefähigkeiten - schon rein optisch - sehr bescheiden. Das stört etwas an diesem Programm. Aber nicht nur der Preisunterschied ist enorm. Grundsätzlich verschieden sind die nicht offensichtlichen Features von MuPAD. Das kann man den Schülern für zu Hause mitgeben...  

Was weiter verbessert werden müsste, ist die Verfügbarkeit deutschsprachiger Software -- oder gibt es den Netscape schon auf deutsch? Zum Glück haben wir mittlerweile Programmpakete wie KDE, dass ja schon eine ganze Reihe gut einsetzbarer Programme zur Verfügung stellen.  

Was Kollegen sehr schnell merken: die sichere und einfache zentrale Userverwaltung ist bis heute unter Linux wesentlich einfacher zu realisieren als unter Windowssystemen.  

Ein entscheidender Negativfaktor ist nicht die Software, sondern die Angst der Kollegen vor dem Unbekannten. Dazu muss man wissen, dass die meisten Kollegen Autodidakten sind, die zusätzlich zu ihrer Unterrichtsverpflichtung den Netzwerkraum administrieren und sich den Anforderungen der Kollegen und pädagogischen Umwelt alleine gegenüberstehen und oft überfordert sind.  

Zwar ist es so, dass die Administration von Netzwerken proprietärer Systeme letzten Endes auch nicht einfacher ist, als die von Linux, für diese Systeme findet der Neuling aber überall in seiner Umgebung Hilfen oder meint, sie zu finden: und wenn etwas nicht klappt, so wird ihm das meist nicht übel genommen - ein sehr wichtiger Faktor. Setzt er Linux ein, ist es bis heute so, dass er aber beweisen muss: die Sache läuft und - ich kann die Wünsche meiner Kollegen erfüllen, was ihm oft gar nicht so leicht fällt. Und es ist die Erfahrung verschiedener Kollegen - und auch meine - dass eben auch nicht immer so glatt läuft. Und dann kommt man in Druck. Das bekannte: RTFM hilft meist auch nicht weiter und einige haben viele Hilfestellungen von Usergroups, Büchern etc.erhalten, kommen doch nicht klar und werfen das Handtuch. Diese Erfahrungen sind leider auch gemnacht worden.  

Es hilft eben nicht, die Schulen mit Linux zu versorgen, zumindest nicht alleine. Die Lehrer brauchen verstärkt Anleitung und Hilfen, professionelle Anleitung und Hilfen, die mit dem sich rasant entwickelnden Geschehen rund um Linux schritthalten. Man sollte nicht vergessen, das die Auseinandersetzung mit Computern und Software für die meisten betroffenen Kollegen notwendigerweise ein Nebenjob ist. Heute aber noch finden sich Hilfestellungen für Lehrer im Internet, die sich auf eine SuSE 4.2 beziehen und Ankündigungen von Firmen eine LAN-Anbindung unter Linux ans Internet aufzuzeigen mit dem Datum vom Februar 1998, ohne das dies je realisiert wurde. Noch die Tage erhielt ich E-mails von Kollegen, die trotz man-pages und Handbüchern verzweifelt nach Lösungen suchten, keine fanden und ich ihnen aber auch nicht weiterhelfen konnte.  

Die Einrichtung und Administration eines Schul-LAN's mit Internetanschluss sollte weiterhin vereinfacht werden. Dies ist ein Wunsch an die Distributionen. Weiter sollte die Dokumentation verbessert werden - auch wenn jetzt einige sagen: sie ist doch schon so gut und umfangreich. Ich muss immer wieder feststellen und die meisten Kollegen, die ich kenne, stimmen mir da zu: Sie muss verständlicher werden. Ein MSCE sagte mir vor einiger Zeit: Die allermeisten Bücher sind gut - wenn man die Materie schon kennt. An dieser Stelle will zukünftig der Verein Freie Software und Bildung e. V. (FSuB) einsetzen. Aber er kann diese Arbeit auch nur in Verbindung und Kontakt und mit professioneller Hilfe leisten. Jede Firma sollte wissen: der Schulmarkt ist der Markt von morgen und nur Schüler, die die Vorteile Freier Software kennen, werden sie später auch einsetzen wollen - von Ausnahmen abgesehen. Und hier gilt: die Masse macht's.  
 

2.7 Was wäre auf den Desktops noch wünschenswert? 

Nicht viel, aber einges, was wichtig ist. Es fehlt im Bereich der sogenannten Schulsoftware der gesamte sprachliche Bereich, sowie Nachschlagwerke wie Lexika. Es wäre wünschenswert, wenn Schulbuchverlage etc. systemunabhängige Software, z. B. in Java schreiben würden.  

Weiter: ein vorgebbarer Standarddesktop, der bei der ersten Inbetriebnahme vorgegeben wird, so der Wunsch eines Kollegen.  
 

2.8 Wie nehmen die Schüler Linux an? 

Die Reaktionen sind zuerst meist etwas reserviert (kein Wunder, ist ja auch etwas zunächst ungewohntes), wobei man allerdings sagen muss, das nach einiger Zeit der Auseinandersetzung mit Linux die positive Annahme bei den Schülern überwiegt.  

Die Schülerschaft spaltet sich in zwei Fraktionen, ein Kollege beschreibt das so:  

  1. Die "Microsoft Jubelfraktion". Die bedauert mit großem Getöse, daß sich LINUX bei uns ausbreitet. Jeder unter NT dekonfigurierte Rechner oder ein solcher, der sporadische, nicht rational erklärbare Effekte zeigt wird aber inzwischen radikal mit LINUX überbügelt. Dann aber stellen sie mit Erstaunen fest, daß sich eigentlich nichts ändert. Mit der veränderten Oberfläche kommen sie relativ schnell zurecht. Und die Programme sind ja teilweise sogar identisch (Netscape, StarOffice). Mit GIMP erntet man dann richtig Staunen. 
  2. Die "Microsoft Fluchfraktion". Jeder neue Rechner unter LINUX wird begrüßt, weil man auch zu Hause mit anderen Betriebsystemen arbeitet. 
Feststellen muss man jedenfalls ganz deutlich, dass es für Schüler, die neu vor einem System stehen, keinen Unterschied macht, ob sie Windows oder Linux lernen. Im Gegenteil: Haben sie erst mal die Fähigkeiten von Linux kennengelernt, vermisssen sie diese unter Windows.  

Auffallend bei einigen wenigen war, wie sehr sie schon auf das Aussehen von Windows fixiert waren. Als einer von ihnen durch Zufall fvwm95 sah, geriet er völlig aus dem Häuschen und sagte: ,,Herr Bingel, warum haben sie uns das vorenthalten!``  

Ohne represäntativ zu sein, möchte ich aus den Erfahrungen meinerseits und der Kollegen schliessen: Die Schüler nehmen lezten Endes Linux etc. überwiegend positiv auf, wenn sie es näher kennengelernt haben.  
 

2.9 Zukunftsaussichten 

Freie Software öffnet Möglichkeiten, die Windowssystem nicht haben:  

Beispiel: So ist es an unserer Schule möglich, die Desktops dank KDE in verschiedenen Sprachen laufen zu lassen. So können selbst Schüler, die des deutschen nur wenig mächtig sind, an die Benutzung einer grafischen Oberfläche herangeführt werden. Dies ist ein entscheidender Vorteil. eine Möglichkeit, die besonders dort genutzt werden kann, wo sozial und kulturell integrativ gearbeitet werden muss.  

Freie Software bietet nicht nur uns eine Alternative, sondern auch denen, die eines Tages Deutschland wieder verlassen werden / müssen. Wollen wir sie in ihrer deutschen Schulzeit auf die Programme einer einzigen Softwarefirma fixieren, sodass sie auch in ihren Heimatländern deren zwar treue und aber leider abhängige Kunden sind? §llte ihnen nicht eine Alternative aufgezeigt werden und ihnen Software in die Hand gegeben werden (ja: in die Hand geben), die ihnen gehört? Eine Software, über deren Quellen sie auch in ihren Heimatländern verfügen können? Nicht jeder von ihnen wird Programmierer werden, aber sie erhalten hier schon die Ausbildung und die Möglichkeit sich auch zu Hause informationstechnisch zu emanzipieren.  

Alleine durch Freie Software ist man in der Lage, sich informationstechnologisch von der Vorherrschaft einiger weniger Global Players zu lösen. Dies ist eine Botschaft, die wir als Lehrer unseren Schülern unbedingt mitgeben sollten.  

Entscheidend für eine weitere Verbreitung von Linux auf den Schülerdesktops an unseren Schulen ist allerdings noch immer, dass eine vernünftige und einfach zu installierende Windowsemulation vorhanden ist. Dies brauchen viele Kollegen schon deshalb, um sich argumentativ durchsetzen zu können. VMWare schafft hier wahrscheinlich nicht die nötige Abhilfe, da die benötigten Hardwareanforderungen von den meisten Schulen nicht erfüllt werden können. WINE als Alternative wäre -- auch schon unter dem Gesichtspunkt Freier Software -- angenehmer.  

Wichtig ist, wie ich oben sagte: Wir stehen an einer Schwelle -- im Serverbereich hat sich Freie Software wie Linux einen festen Platz erobert, der allerdings auch noch wachsen könnte. Es ist aber durchaus möglich und machbar, dass sich Freie Software einen festen und ausreichenden Anteil auch im Desktopbereich erstreitet. Wichtig auf dem Weg dazu ist nicht nur noch mehr und noch bessere Freie Software. Entscheidend ist auch das, was ich unter die Punkte Aufklärung und Anleitung fassen möchte. Der neu gegründete FSuB e. V. will dazu seinen Beitrag leisten mit :  

  • Aufklärung und Dokumentation 
  • Fortbildung 
  • Referenzschulen 
Je mehr Kollegen erkennen, welchen Schatz sie in Freier Software in Händen halten und sich bereitfinden, dies zu unterstützen, je mehr Programmierer, Distributionen und Verlage wiederum diese Kollegen unterstützen, desto mehr Freie Software auch bei Kultusbehörden akzeptabel wird, desto eher können wir diesen informationellen Freiraum verteidigen und erhalten.  

Die Zukunftsaussichten Freier Software im Bildungsbereich können gut sein, wenn wir es wollen. Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer. (Seneca)