Mikro
e.V. Verein zur Förderung von Medienkulturen in Berlin
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mikro.lounge
#7:
SONIC OUTLAWS - Copyright und Musik im Netz <http://www.mikro-berlin.org/Events/19981007.html> WMF, Johannisstr. 20, Berlin-Mitte
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Abstract
Geistiges Eigentum, genauer: die Verwertungsrechte daran sind das zentrale Wirtschaftgut in der ‘Informationsgesellschaft', dessen weltweiter Markt im Musikbereich von fünf Oligopolen beherrscht wird. Es ist aber ebenso ein Kulturgut, das sich in neuen Kreationen fortsetzt, zu denen Sampling, Collage, Zitat und Parodie gehören. Digitale Medien stellen durch verlustfreie Kopierbarkeit und nahezu kostenfreie Distribuierbarkeit von Musik Öffnungen dar, die durch Kryptographie und andere Techniken geschlossen werden. Wie verhalten sich Urheberrecht und GEMA, Technologen und Fans dazu? Die komplexe Materie soll von der praktischen Seite eines Musikrechteverlags, von der technischen und von der juristischen Seite aus beleuchtet werden. mikro.lounge #7: SONIC OUTLAWS -
Geistiges Eigentum, genauer: die Verwertungsrechte daran sind das zentrale Wirtschaftsgut in der 'Informationsgesellschaft', dessen weltweiter Markt im Musikbereich von fünf Oligopolen beherrscht wird. Es ist aber ebenso ein Kulturgut, das sich in neuen Kreationen fortsetzt, zu denen Sampling, Collage, Zitat und Parodie gehören. Digitale Medien stellen durch verlustfreie Kopierbarkeit und nahezu kostenfreie Distribuierbarkeit von Musik Öffnungen dar, die durch Kryptographie und andere Techniken geschlossen werden. Das Urheberrecht bildete sich an der Innovation Gutenbergs und entwickelte sich mit jeder neuen Medientechnologie weiter. Es galt zuallererst dem Investitionsschutz der Drucker-Verleger. In der französischen Revolution wurden dann auch sogenannte moralische oder urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte festgeschrieben, die im kontinentaleuropäischen Recht einen stärkeren Schutz genießen als im anglo-amerikanischen Copyright. Der Schutz der moralischen und materiellen Interessen des Urhebers wissenschaftlicher und künstlerischer Werke ist dann sogar in die universelle Menschenrechtserklärung eingegangen. Dort heißt es aber auch, jeder habe das Recht, frei am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und an den wissenschaftlichen Fortschritten teilzuhaben. Um dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Verwertungsinteresse der Urheber und Hersteller und einem öffentlichen Interesse am Zugang zu geistigen Werken drehte sich die Diskussion an diesem Abend. Der Schwerpunkt lag auf der Musik und darauf, wie die Infrastruktur der Urheberrechteindustrie, Gesetzgebung und Rechtsprechung, der zwischenstaatlichen Abkommen, Verwertungsgesellschaften und spezialisierten Rechtsanwälten auf die neuen Bedingungen der digitalen Medien reagieren. Um die Dimension anzudeuten: der weltweite Tonträgermarkt hatte 1996 ein Volumen von 40 Milliarden Dollar, davon ein Drittel in Europa. Die Künstler erhalten davon nur einen Bruchteil, nämlich zwischen zwei und fünf Prozent. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Markt vervierfacht, die Konzentration zugenommen. Zunächst erläuterte Hanno Fierdag den Unterschied zwischen dem Urheberrecht des Autors an seinem Werk und den abgeleiteten Leistungsschutzrechten des Tonträgerherstellers. Von einer ‘freien Benutzung’ spricht man, wenn Werkteile als Zitat, als Parodie oder zu privaten Zwecken entnommen werden. Wer Teile eines Werkes mit anderen verbindet, um sie zu veröffentlichen, muß die Genehmigung des Rechteinhabers einholen. Wer eine Melodie aus einer CD sampelt, muß Gebühren an den Tonträgerhersteller zahlen. Ein noch umstrittener Grenzbereich betrifft die Wiedererkennbarkeit kleinerer Werkteile. Eine Bearbeitung, in der ‘die Wesenszüge der Vorlage verblassen’, sind frei. Werke von geringer ‘Schöpfungshöhe’, in denen also die Individualität des Künstlers nicht kreativ zum Ausdruck kommt, genießen keinen Schutz. Schließlich drückt sich die Vorstellung, dass niemand Neues schafft, ohne auf den Schultern vorangegangener Generationen zu stehen, darin aus, daß die Schutzfrist für geistiges Eigentum - anders als beim materiellen - auf 70 Jahre nach dem Tod des Autors beschränkt ist. Danach wird das Werk ‘gemeinfrei’. Die Konvergenz der Medien führt zu einer Allianz aus Kulturindustrie, Computer- und Telekommunikation unter multinationalen Holding-Unternehmen. Die Verwertungs- gesellschaften wie die GEMA versuchen, hinterher zu wachsen. Dagegen bilden sich Beginn der Independent-Szene in den 1980er Jahren vernetzte Mikrostrukturen. Die GEMA hat ein vom Rechtsgeber zugewiesenes Monopol auf die Wahrnehmung von Musikrechten. In der Diskussion erwies sich der Alleinvertretungsanspruch für alle Werke ihrer Mitglieder und fast alle Nutzungen als problematisch. Auch die starke Ausrichtung der GEMA auf U-Musik und die äußerst langsame Anpassung der Tarifstrukturen an die digitalen Verwertungen führen dazu, daß sich Alternativen zu diesem ‘Musikfinanzamt’ bilden. Olga Taranczewski erläuterte, daß der Musikverlag Freibank 1987 von den Einstürzenden Neubauten gegründet wurde, da diese ihre Verträge mit Plattengesellschaften frei aushandeln und sie, wie die meisten Indi-Bands, selten im Radio gespielt werden und deshalb von der Gebühren- eintreibung bei den Rundfunkunternehmen durch die GEMA nicht profitieren. Taranczewskis Musikedition M-Class innerhalb von Freibank gründete sich im Frühjahr 1998, um Musikautoren mit den Herstellern von CD-ROMs und Internet- angeboten ohne Zwischenschaltung der GEMA zusammenzubringen. Die Musiktarife für ein Computerspiel stehen laut Olga in keinem Verhältnis zu den gesamten Herstellungskosten. Besonders absurd ist die gegenwärtige GEMA-Regelung für Mitglieder, die ihre eigene Musik kostenlos auf ihrer Homepage anbieten. Nach Auskunft des Multimedia-Zuständigen muß der Musiker auch in diesem Fall 5-10 DM pro Minute und Monat an die GEMA abführen, die er abzüglich der GEMA-Kommission nach zwei Jahren zurückerhält. In der Diskussion wurden die Leistungen der GEMA für die Autoren anerkannt, aber gewünscht, daß sie eine differenzierte Rechtewahrnehmung ermögliche und daß sie sich mit mehr Einsatz und Kompetenz auf die Bedingungen digitaler Medien einlasse. Das offene Archiv von Radio Internationale Stadt (RIS) ist eines der größten im Internet, auf dem unbekannte Bands, aber auch bekannte wie die Einstürzenden Neubauten ihre Musik zur freien Benutzung ablegen. Thomax Kaulmann hat es 1996 gegründet und seither ständig weiterentwickelt. Es beruht auf dem RealAudio- Format, bietet Features wie Play-Lists und hatte kurz zuvor bei der Ars Electronica einen Anerkennungspreis bekommen. Kaulmann nannte es ein Kontributoren-gespeistes System und sprach über die möglichen Schwierigkeiten mit Labels, mit der GEMA und mit Kontributoren, die unerwünschte Sound-Dateien einstellen. Eine Umstellung auf das MPEG-Format ist geplant. Als Standard für hochqualitätige Musik im Netz setzt sich seit 1997 MPEG-Layer 3, kurz MP-3 durch. Niels Rump arbeitet am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen, das an der Entwicklung und der ISO-Standardisierung von MPEG maßgeblich beteiligt ist und Patentrechte an diesen Kodierungsverfahren hält. Audiokompression beruht auf psycho- akustischen Erkenntnissen, die erlauben, alles von einem Signal wegzulassen, was das menschliche Ohr nicht hört. So werden heute Kompressionsfaktoren von 1:16 erreicht. Kritik wird daran geäußert, daß die Fraunhofer Gesellschaft von Leuten, die nach dem offenen Standard Freeware- Encoder für MP-3 schreiben, Lizenzgebühren einfordert. Rump erklärte, daß die Fraunhofer Gesellschaft 1949 gegründet wurde, um einen Transfer zwischen Wissenschaft und mittelständischen Unternehmen zu bewirken. Sie finanziert sich aus öffentlichen Mitteln und Auftragsforschung für die Industrie und ist daher darauf angewiesen, die Ergebnisse der zwölfjährigen Forschung und Entwicklung an MP-3 zu verwerten, um diese fortsetzen zu können. Dagegen wurde gefordert, daß Gebühren nur von denen erhoben werden sollten, die einen Standard benutzen, um damit Geld zu verdienen, aber nicht von der Freeware-Szene. Kaulmann wies darauf hin, daß es heute keine Audio-Streams, ja überhaupt kein WWW gäbe, wenn das Verfahren der Socket-Programmierung patentrechtlich geschützt worden wäre. An der Frage von offenen und freien Standards schieden sich erneut die Geister. Sehr deutlich standen sich an diesem Abend zwei Kulturen gegenüber. Einerseits diejenigen, die an den rechtlichen, vertraglichen, lizenztechnischen und technischen Rahmenbedingungen des Marktes für geistiges Eigentum arbeiten; andererseits diejenigen, die sich der Geschenkkultur zuordnen und an einem freien Austausch und einer offenen Evolution des Wissens als einem öffentlichen Gut interessiert sind. [V.G.] |